Maskerade
herausfinden, oder? Ich meine, es wäre dir nicht nur irgendwie unangenehm oder so. Nein, du hast eine Heidenangst davor.“
Als er Tom ansieht, meint Sascha für einen kurzen Moment mehr nüchternes Interesse als
Mitgefühl in Toms Gesichtszügen zu erkennen, aber dieser Eindruck verflüchtigt sich so schnell wieder, wie er auftauchte. Nun spürt Sascha leichten Ärger in sich aufsteigen. Er versteht nicht, warum seine persönlichen Lebensumstände, die doch eigentlich gar nicht in diese vier Wände gehören, Tom so sehr interessieren.
„Willst Du es genau wissen, Tom?“, fragt er schließlich. „Ja, ich habe fürchterliche Angst davor. Ich habe einen riesigen Schiss davor, dass mein Leben dadurch praktisch auseinander fallen könnte. Ich bin verheiratet, Tom. Anke und ich haben eine zweijährige Tochter und jeden Monat eine Hypothek abzubezahlen. Meine Familie, unsere Freunde, mein ganzes soziales Umfeld hat keine Ahnung davon, dass ich schwul bin. Und manchmal habe ich außerdem das Gefühl, dass es jetzt sowieso zu spät dafür ist, dies kund zu tun", erklärt Sascha leicht aufgebracht.
Er sieht Tom dabei weiterhin an, auf dessen Gesichtszügen sich nun so etwas wie Zufriedenheit breitgemacht hat.
"Es ist okay, Sascha. Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen. Ich habe nur versucht, mir ein Bild zu machen", lenkt er ein.
Dann streckt er eine Hand aus und greift dem verdutzten Sascha zwischen die Beine, während er ihn mit der anderen Hand zurück auf den Teppich drückt.
Sascha stöhnt auf, schließt die Augen und genießt Toms Liebkosungen.
*
Der nächste Tag ist ein Samstag und es ist schon nach neun, als Sascha langsam erwacht. Das Sonnenlicht bricht sich seinen Weg durch die noch zugezogenen Vorhänge, während sich Sascha räkelt und die Staubpartikel beobachtet, die tanzend durch die Luft wirbeln.
Ankes Seite des Bettes ist leer.
Sich streckend und gähnend begibt sich Sascha nach unten ins Erdgeschoss. Er hört Ankes leise Stimme. Dann Pias aufgeregtes Gejauchze, das aus der Küche an seine Ohren dringt. Im Türrahmen der Küche angekommen, bleibt Sascha stehen. Anke sitzt mit dem Rücken zu ihm auf dem Fußboden und verdeckt Pia, die vor ihr sitzt. So bleibt er für den Moment unentdeckt, was ihm gerade recht kommt. Er beobachtet das Spiel der beiden eine Weile, lauscht Ankes sanfter Stimme und dem Gebrabbel seiner Tochter. Die unbekümmerte, einfache und behagliche Atmosphäre, die dieser Augenblick für ihn verströmt, treibt ihm ungewollt die Tränen in die Augen. Wie sollte er all das je aufgeben können?
Schließlich steht Pia auf und als sie ihren Vater sieht, tippelt sie mit kleinen, eiligen Schritten auf ihn zu. „Papa“ rufend, umschlingt sie seine Wade mit ihren kurzen Ärmchen.
„Guten Morgen“, lacht Sascha auf, nimmt sie auf den Arm und geht zu Anke hinüber, die zwischenzeitlich vom Boden aufgestanden ist und an der Anrichte steht.
Er streichelt Anke kurz mit der freien Hand über den Rücken.
„Guten Morgen.“
„Morgen“, ist Ankes knappe Antwort und er bemerkt, dass sie ihn keines Blickes würdigt, während sie ihren Becher mit Kaffee füllt.
Sie ist sauer. Immer noch, oder schon wieder? Sascha weiß es nicht.
Bevor er sich selbst an der Kaffeemaschine zu schaffen macht, setzt er Pia behutsam in ihren Hochstuhl am Tisch.
„Ihr habt schon gefrühstückt?“, fragt er mit einem Blick auf die aufgerissene Brötchentüte, die fast schon vorwurfsvoll auf dem Küchentisch liegt.
Anke wendet ihm weiterhin den Rücken zu, während sie nun am Fenster stehend in den Vorgarten schaut.
„Ja, Sascha. Haben wir.“
An ihrem Tonfall erkennt er, dass sie Streit mit ihm sucht.
Als er nichts weiter sagt, sich an den Tisch setzt, ein Brötchen aus der Tüte vom Bäcker nimmt und es mit Quark und Marmelade bestreicht, die noch auf dem Tisch stehen, legt Anke schließlich los.
„Weißt Du, Pia und ich sind heute Nacht nicht erst weit nach Mitternacht nach Hause gekommen. So
konnten wir zeitig aufstehen und frühstücken.“
Sie dreht sich zu ihrem Mann um und sieht ihn an.
Als Sascha nicht reagiert und ihren Blick nicht erwidert, sich vielleicht zu sehr auf Brötchen und
Marmelade konzentriert, kommt Anke nun richtig in Fahrt.
„Ich habe es dir gestern Abend schon gesagt und ich sage es heute noch einmal. Ich möchte Tom
kennen lernen. Ich möchte wissen, wer der Mann ist, den mein Mann jede Woche trifft und mit dem er sich die Nächte um
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