Massiv: Solange mein Herz schlägt
Kindheit hat sie mich mit Geschichten über Palästina genährt; das war überhaupt der Grund, warum ich schon vor langer Zeit beschlossen hatte hierherzukommen. Der Basar ist völlig überfüllt, jeder will mir etwas andrehen, ein Straßenmusikant spielt auf einer Geige, zwei Männer streiten sich um den Preis für ein Gewürz. Die vielen Eindrücke und Gerüche prasseln wie Hagel auf mich herein. Ich überlege, meiner Mutter eine Kette oder ein Armband zu kaufen, doch es muss etwas Besonderes sein – etwas, das es nirgendwo außer in Palästina gibt. Gerade als ich die Hoffnung aufgebe, noch etwas Anständiges für sie zu finden, sticht mir ein Stand mit Holzfiguren ins Auge. Ein alter Mann mit einem langen Bart raucht teilnahmslos seine Pfeife. Ich betrachte die Pferde, Kamele und die anderen Tiere aus Holz und frage nach, ob er die Figuren selbst geschnitzt hat. Er nickt. Ich greife nach einer verzierten kleinen Kiste aus Holz, und als ich sie öffne, geschieht genau das, was ich mir erhofft hatte: Es ertönt eine sanfte Melodie. Ich freue mich wie ein kleines Kind, frage nach dem Preis und gebe dem Mann das Doppelte. Bevor ich Palästina verlasse, bücke ich mich und greife nach einer Handvoll Sand. Ich filtere den Dreck heraus und lege den sauberen Sand in die Holzkiste. Dann machen wir uns auf zum Flughafen, und Ronny wirkt sichtlich glücklich, den Aufenthalt unbeschadet überstanden zu haben.
Zu Hause angekommen fällt mir meine Mutter in die Arme. Sie hat für meine Ankunft ein Festmahl vorbereitet, die gesamte Familie sitzt am Esstisch und lauscht gebannt meinen Erzählungen aus Palästina. Ich schlage mir den Bauch voll und helfe meiner Mutter beim Abräumen. Als wir alleine in der Küche sind, krame ich in meinem Koffer nach ihrem Geschenk.
»Ich habe dir etwas mitgebracht.«
»Das war doch nicht nötig.« Meine Mutter spült die Töpfe und räumt den Rest in die Spülmaschine.
»Es ist nichts Teures, keine Sorge.« Ich grinse und reiche ihr die Schatulle. Meine Mutter öffnet sie, und die leise Musik wird abgespielt. In diesem Moment verlieren ihre Gesichtszüge jeden Halt. Sie greift in die Kiste und lässt den Sand zwischen ihren Fingern gleiten.
»Es ist … es ist … sehr schön.« Ihre Augen füllen sich mit Tränen.
»Jetzt fang bloß nicht an zu weinen. Ich habe dir doch versprochen, etwas mitzubringen, das nach Heimat riecht, aussieht und klingt.«
DANK
Dank an alle, die dieses Projekt möglich gemacht haben:
Meinen Freunden und Familienmitgliedern, weil sie sich auf lange Interviews und Gespräche einließen und durch ihre persönlichen Geschichten und Eindrücke dem Buch den letzten authentischen Schliff verliehen.
Unseren Literaturagentinnen Frau Graf und Frau Göpfert, die einen wirklich guten Job geleistet haben.
Besonderen Dank an Ashraf Rammo, der uns alle zusammenbrachte und ohne den dieses Buch nie geschrieben worden wäre.
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