Mathias Sandorf
Hazam’s durch die inneren Höfe der Behausung strömte.
Sollte sich Sarah ergreifen lassen? Nein…. Wurde sie von ihm ergriffen, so war sie verloren…. Hundertmal zog sie den Tod vor.
Das muthige Mädchen empfahl ihre Seele Gott, stürzte auf die Brustwehr und sich ohne Zögern in die Tiefe hinunter.
Pointe Pescade war es nicht möglich, den Sturz zu verhindern; es gelang ihm aber, sich den Mann abzuschütteln, der ihn gepackt hatte, den Strick zu fassen und sich blitzschnell herunterzulassen; in einer Secunde stand er am Fuße der Mauer.
»Sarah!… Sarah! rief er.
– Hier ist das Fräulein! antwortete eine ihm sehr bekannte Stimme Sie hat sich nichts gethan…. Ich war zur Stelle, um sie…«
Ein Wutschrei, dem ein dumpfer Aufschlag folgte, schnitt Kap Matifu das Wort ab.
Namir hatte in einem Anfalle von Wildheit die Beute nicht fahren lassen wollen, die ihr zu entschlüpfen drohte; sie zerschmetterte ihr Gehirn am Boden. Sarah hätte vielleicht dasselbe Schicksal gedroht, wenn nicht zwei kräftige Arme sie vor dem fürchterlichen Sturze bewahrt haben würden.
Doctor Antekirtt, Peter und Luigi hatten sich Kap Matifu und Pointe Pescade, die dem Ufer zuflohen, angeschlossen. Sarah wog, obgleich sie ohnmächtig war, so gut wie nichts in den Armen ihres Retters.
Einige Augenblicke später trat Sarcany mit einer Handvoll wohlbewaffneter Leute die Verfolgung der Flüchtlinge an.
Als diese Schaar am Rande der kleinen Bai ankam, auf welcher der »Electric« geankert hatte, befand sich der Doctor mit seinen Genossen schon an Bord; einige Drehungen der Schraube des Schiffes brachten dasselbe bald aus dem Bereiche jeglicher Gefahr.
Sarah, die mit dem Doctor und Peter allein geblieben war, kam bald wieder zu sich. Sie erfuhr jetzt, daß sie die Tochter des Grafen Mathias Sandorf wäre, daß sie in den Armen ihres Vaters läge.
Viertes Capitel.
Antekirtta.
Fünfzehn Stunden nach Verlassen des tripolitanischen Gestades wurde der »Electric 2« von den Küstenwachen Antekirtta’s avisirt; am Nachmittage drehte er im Hafen bei.
Man begreift unschwer, welcher Empfang dem Doctor und seinen Getreuen bereitet wurde.
Obwohl Sarah sich außer dem Bereiche jeglicher Gefahr befand, wurde dennoch beschlossen, daß man ein unverbrüchliches Schweigen über die Bande beobachten wollte, welche sie mit dem Doctor Antekirtt verbanden.
Graf Mathias Sandorf wollte bis zum vollständigen Gelingen seines Werkes unerkannt bleiben. Doch es genügte, daß Peter, der sein Sohn geworden war, öffentlich mit Sarah Sandorf verlobt wurde, um eine allgemeine Freude, rührende Kundgebungen, sowohl im Stadthause als in der ganzen Stadt Artenak hervorzurufen.
Man möge auch nachfühlen, was Frau Bathory empfand, als ihr Sarah nach so vielen Prüfungen zurückgegeben wurde. Das junge Mädchen erholte sich schnell; einige wenige Tage des Glückes stellten es bald wieder her.
Pointe Pescade hatte sein Leben für Sarah gewagt, darüber konnte kein Zweifel herrschen. Da er das ganz natürlich fand, so war jede Möglichkeit, ihm in anderer Weise als in Worten Dank abzustatten, ausgeschlossen. Peter hatte ihn an sein Herz gezogen und der Doctor Antekirtt ihn mit so liebevollen Blicken angesehen, daß er nichts weiter hören wollte. Er schob übrigens seiner Gewohnheit gemäß das ganze Verdienst bei dem Unternehmen Kap Matifu zu.
»Ihm muß man danken, sagte er wiederholt. Er hat Alles gethan. Wenn mein Kap nicht so große Geschicklichkeit beim Balanciren der Ruthe gezeigt hätte würde ich nie mit einem Satze in das Haus dieses Schurken Sidi Hazam geflogen sein, und Sarah Sandorf hätte sich bei ihrem Sturze das Leben genommen, wenn mein Kap sie nicht in seinen Armen aufgefangen haben würde.
– Bitte… bitte…, sagte Kap Matifu darauf. Du gehst etwas zu weit, und Deine Idee von…
– Schweige doch, Kap, nahm Pointe Pescade wieder das Wort. Teufel auch! Ich bin nicht stark genug, um Complimente dieses Kalibers auszuhalten, während Du… Komm, wir wollen unseren Garten pflegen!«
Und Kap Matifu schwieg; er kehrte in sein niedliches Landhaus zurück und schließlich nahm er die Glückwünsche an, die man ihm aufzwang, »um dem kleinen Pescade nicht ungehorsam zu sein«.
Es wurde beschlossen, daß die Hochzeit Sarah’s und Peter’s in kurzer Frist, bereits am 9. December, gefeiert werden sollte. Peter, als Gatte Sarah’s, sollte dann die Anerkennung ihrer Rechte betreiben, um die Erbschaft des Grafen Sandorf antreten zu können. Der
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