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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ihm entdeckte.
    Plötzlich tauchte grell ein Licht am anderen Ende des Hofes auf. Eine Frau, die eine arabische, mit Kupferzierrathen und Scheiben ausgestattete Laterne trug, kam aus einem in der gegenüberliegenden Ecke des Patio befindlichen Zimmer und ging durch die Galerie, auf welche sich die Thür der Skifa öffnete… Pointe Pescade erkannte diese Frau sofort wieder… es war Namir.
    Da es möglich war, daß diese sich in das Zimmer begab, in welchem sich das junge Mädchen befand, so mußte ein Mittel erdacht werden, welches ermöglichte, ihr zu folgen, und um ihr zu folgen, mußte sie vorübergelassen werden, ohne daß sie ihn bemerken konnte. Dieser Augenblick mußte über das kühne Unterfangen Pointe Pescade’s und über das Schicksal Sarah Sandorf’s entscheiden.
    Namir kam näher. Ihre, fast den Boden erreichende Laterne tauchte die obere Galerie in um so größere Dunkelheit, je heller das Mosaikpflaster beleuchtet war. Da sie unter den Arkaden entlang gehen mußte, so wußte Pointe Pescade in der That nicht, was er beginnen sollte; plötzlich zeigte ihm ein aus der Laterne fallender Strahl, daß der obere Theil der Arkade aus durchbrochenen Arabesken in maurischem Geschmacke bestand.
    Auf die Mittelsäule klettern, sich an eine der Arabesken klammern, mit Hilfe der Armmuskeln einen Aufzug machen, sich um den Säulenschaft legen und dort unbeweglich wie ein Heiliger in seiner Nische verharren, war für Pointe Pescade das Werk eines Augenblickes.
    Namir ging unter ihm vorüber, ohne ihn zu sehen und erreichte die gegenüberliegende Seite der Galerie. Vor der Thür der Skifa angekommen, öffnete sie diese.
    Ein blendender Lichtstrahl fiel in den Hof und erlosch sofort, als sich die Thür wieder geschlossen hatte.
    Pointe Pescade überlegte – hätte er einen besseren Ort dazu finden können, als den unfreiwillig gewählten?
    »Namir ist also in diesen Saal gegangen, meinte er. Ersichtlich wird sie sich nicht in Sarah Sandorf’s Zimmer begeben. Vielleicht aber ist sie aus demselben gekommen und in diesem Falle müßte das in der Ecke dort das betreffende sein… Wir wollen uns gleich überzeugen.«
    Pointe Pescade wartete noch einige Augenblicke, ehe er seinen Zufluchtsort aufgab. Das Licht im Innern der Skifa schien allmälig an Intensität nachzulassen und auch das Gewirr der Stimmen beschränkte sich jetzt auf ein schwaches Gemurmel. Die Stunde war wohl gekommen, in der das ganze Personal des Sidi Hazam sich zur Ruhe begab. Die Umstände waren also so günstig als möglich, um die That auszuführen, denn dieser ganze Theil des Hauses versank bereits in Schweigen, trotzdem noch nicht der letzte Lichtschimmer verblichen war. Doch auch das geschah. Pointe Pescade ließ sich an der Säule der Arkade heruntergleiten, und schlüpfte auf dem Fußboden der Galerie an der Thür der Skifa vorüber; er ging um den Patio herum und erreichte in der gegenüberliegenden Ecke das Zimmer, aus welchem Namir getreten war.
    Pointe Pescade öffnete die Thür, die kein Schlüssel verschloß. Beim Scheine einer arabischen Lampe, die in ihrem matten Glase einer Nachtlampe ähnelte, nahm er hastig das Zimmer in Augenschein.
    Einige Decken, die an den Wänden hingen, hier und dort Fußbänke in maurischer Form, in den Ecken aufgehäufte Kissen, ein über den Mosaikboden gebreiteter doppelter Teppich, ein niedriger Tisch, der noch die Reste einer Mahlzeit trug, ein mit einem Wollstoff bedeckter Divan – Alles das sah Pointe Pescade zunächst.
    Er trat ein und schloß die Thür.
    Eine weibliche Gestalt – sie ruhte wohl mehr als daß sie wirklich schlief – lag halb bedeckt von einem jener Burnusse, in welche sich die Araber gewöhnlich vom Kopf bis zu den Füßen zu hüllen pflegen, auf dem Divan.
    Es war Sarah Sandorf.
    Pointe Pescade erkannte das junge Mädchen ohne Bedenken wieder, denn er war ihm oft genug in den Straßen von Ragusa begegnet, doch wie hatte es sich seit jener Zeit verändert! Seine bleiche Farbe, dieselbe, die es in dem Augenblick bedeckte, als der Hochzeitswagen mit dem Leichenzuge Peter Bathory’s zusammenstieß, Sarah’s Haltung, ihr trauriges Aussehen, ihre unnatürliche Betäubung – Alles das verrieth deutlich, was sie gelitten haben mußte und noch litt.
    Kein Augenblick war zu verlieren.
    Da die Thür nicht verschlossen gewesen, so war anzunehmen, daß Namir in jedem Augenblicke zurückkehren konnte. Die Marokkanerin bewachte sie augenscheinlich Tag und Nacht. Unnütze Vorsicht; selbst wenn

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