Mathias Sandorf
werde… – Nun gut, diese Kraft wird man Ihnen nehmen, schrie Sarcany. Treiben Sie mich nicht zum Aeußersten! Diese Kraft, deren Sie sich gegen mich bedienten, wird Namir zu vernichten wissen und gegen Ihren Willen, wenn es sein muß! Leisten Sie mir weiter keinen Widerstand, Sarah!… Der Imam ist hier, um unsere Heirat nach der Sitte dieses Landes, welches meine Heimat ist, zu vollziehen…. Folgen Sie mir also!«
Sarcany ging auf das junge Mädchen zu, die hastig aufgesprungen und bis an die hinterste Wand des Zimmers zurückgewichen war.
»Elender! rief sie.
– Sie werden mir folgen!… Sie werden folgen! wiederholte Sarcany, der jede Herrschaft über sich selbst verloren hatte.
– Niemals!
– Nehmen Sie sich in Acht!«
Sarcany hatte ihren Arm gepackt und bemühte sich in Gemeinschaft mit Namir Sarah mit Gewalt in die Skifa zu schleppen, wo Sidi Hazam und der Imam Beide erwarteten.
»Zu Hilfe!… Zu Hilfe! schrie Sarah. Zu Hilfe, Peter Bathory!
– Peter Bathory! schrie Sarcany. Du rufst einen Todten zu Deiner Hilfe?
– Nein… er lebt!… Zu Hilfe, Peter!«
Diese Antwort flößte Sarcany einen jähen Schrecken ein; die Erscheinung seines Opfers hätte ihm wahrscheinlich keine größere Furcht eingeflößt als dieser Ausruf. Doch kam er schnell wieder zu sich. Peter Bathory am Leben!… Peter, den er mit eigener Hand niedergestochen, dessen Körper er auf den Kirchhof von Ragusa hatte tragen sehen…. Das konnte nur der Einfall einer Wahnsinnigen sein und möglich war es ja, daß Sarah in einer Anwandlung von Verzweiflung den Verstand verloren hatte.
Pointe Pescade hatte die ganze Unterredung angehört. Damit, daß Sarah Sarcany verrieth, Peter wäre am Leben, spielte Sarah um ihr Leben; das war gewiß. Für den Fall, daß der Elende seine rohen Angriffe erneuerte, hielt er sich bereit, mit dem Messer in der Hand zu erscheinen. Wer ihn für fähig gehalten hätte, noch zu zaudern, Jenen niederzustechen, der kannte Pointe Pescade schlecht.
Doch kam es nicht dahin. Sarcany zog Namir in schroffer Weise mit sich fort. Das Zimmer wurde mittelst eines Schlüssels verschlossen, das junge Mädchen, dessen Schicksal sich nun entscheiden mußte, war gefangen.
Pointe Pescade hatte den Teppich abgeworfen und war mit einem Satze auf den Beinen.
»Kommen Sie!« sagte er zu Sarah.
Da das Schloß der Thür sich innerhalb des Zimmers befand, so deckte der geschickte Mensch es schnell und ohne Geräusch mit Hilfe des Schraubenziehers an seinem Messer auf.
Sobald die Thür geöffnet und hinter ihnen wieder geschlossen worden war, ging Pointe Pescade dem jungen Mädchen voran die Galerie entlang, der Mauer des Patios folgend.–
Es konnte elfundeinhalb Uhr Nachts sein. Etwas Helligkeit schimmerte noch durch die Oeffnungen der Skifa. Pointe Pescade vermied es daher, an diesem Saale vorüberzugehen, um in der entgegengesetzten Ecke den Gang zu erreichen, der sie auf den vordersten Hof des Hauses bringen mußte.
Beide durchschritten den Gang bis zu seinem Ende. Sie hatten bis zur Thür des Minarets nur noch einige Schritte zurückzulegen, als Pointe Pescade plötzlich stillstand und Sarah zurückhielt, deren Hand nicht aus der seinigen gekommen war.
Drei Männer wandelten auf diesem Hofe um das Bassin. Der Eine derselben – es war Sidi Hazam – ertheilte den beiden Anderen soeben einen Befehl. Sofort verschwanden Beide auf der Treppe des Minarets, während der Moqaddem in eines der Zimmer des Erdgeschosses zurückkehrte. Pointe Pescade begriff, daß Sidi Hazam es sich angelegen sein ließ, die Ausgänge seiner Behausung überwachen zu lassen. Wenn er mit dem jungen Mädchen auf der Terrasse erscheinen würde, war sie gewiß schon besetzt und bewacht.
»Es muß trotzdem gewagt werden, sagte Pointe Pescade.
– Ja… Alles!« antwortete Sarah.
Beide durchschritten die Galerie und erreichten die Treppe, die sie mit äußerster Vorsicht hinaufstiegen. Als Pointe Pescade auf der obersten Sprosse
Pointe Pescade ging dem jungen Mädchen voran. (S. 536.)
angelangt war, blieb er stehen. Kein Geräusch, nicht einmal der Schritt einer Schildwache war auf der Terrasse hörbar.
Pointe Pescade öffnete leise die Thür und von Sarah gefolgt, glitt er längs der Zinnen dahin.
Plötzlich wurde von der Höhe des Minarets seitens eines dort postirten Wächters ein Schrei ausgestoßen. Im selben Augenblick sprang ein zweiter auf Pointe Pescade, während Namir auf die Terrasse stürzte und das Personal Sidi
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