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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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geschrieben von wegen der Witwenkasse. Die Schmädicke meinte zwar neulich: ›sie müßten einkaufen, ob sie wollen oder nich‹, aber es wäre mir doch lieb, zu hören, daß Du ganz sicher bist. Ich bin immer so sehr fürs Sichre. Denn der Mensch denkt, und Gott lenkt, und heute rot und morgen tot. Und er war mitunter so rot, was mir nich gefallen hat, und auch die Runtschen sagte: ›Glauben Sie mir, Frau Möhring, es sitzt ihm hier.‹ Und nu grüße Deinen lieben Mann und sag ihm, ich ließ' ihm ein glückliches neues Jahr wünschen. Er verdient es, und es wird sich schon belohnen.
    Es is ja viel draufgegangen, aber es schadet nicht, und ich hab es alles gerne gegeben, und die Schmädicke sagte neulich: ›Aufs Kapital kommt es nich an, wenn man bloß gute Zinsen hat.‹
    Deine Dich liebende Mutter
    Adele Möhring, geb. Printz«
     
    »Gott, nun auch noch ›Printz‹«, sagte Thilde. »Was sich Mutter nur eigentlich denkt. Und was sie da schreibt! Als ob sie sich geopfert und mir mit ihrem Sparkassenbuch, was doch mein war, mein Glück bereitet hätte. Nun, sie war immer so, und nach ihrer Art meint sie's gut, erst mit sich und dann mit mir. Und dann war das Gute, daß sie mir immer freie Hand gelassen hat. Eine weimrige alte Frau, aber ich habe doch mit ihr leben können. Und vielleicht muß ich wieder mit ihr leben. ›Heute rot und morgen tot.‹ Daß sie auch grade so was schreiben mußte... Hugo gefällt mir nicht, und der Doktor mit seinem ›Einigermaßen‹ hat mir auch nicht gefallen. Ich möchte ihn nicht gern verlieren. Er ist so gut und hat mir eine Stellung gegeben. Denn wenn ich es auch gemacht habe, wenn er nicht da war, so ging' es nicht. Ich möcht ihn nicht gern verlieren. Aber sonderbar, alles hat doch so seine zwei Seiten, und wenn ich so den Platz und die drei Scharren sehe, jetzt kuckt sich der Provisor im Spiegel [an] und findt sich hübsch, da weiß ich doch nich, ob es nicht hübscher war, wenn ich nach der Stadtbahn rübersah und wenn Bolle durch die Straßen klingelte... Nun, Mutter hat ja auch geschrieben: ›Der Mensch denkt, und Gott lenkt‹, sie hat immer solche neuen Sätze. Aber richtig is es, und ich muß es abwarten, wie Gott lenkt.«
     
    Hugo genas, und Ende Februar saß er im Garten in Front von einem Weinspalier, auf das eine warme Februarsonne fiel. Thilde saß neben ihm und las ihm die Zeitung vor, denn es waren die Tage, wo Bismarck ins Schwanken kam. Hugo sog jedes Wort ein und zeigte großes Interesse, ergriff aber nicht Partei, »sie werden wohl beide recht haben«. Thilde lächelte: »Ja, Hugo, das bist ganz
du
. Beide recht. Ich bin für einen.«
    Über den Zaun fort grüßten die Nachbarn, die sich schon in ihren Gärten zu schaffen machten, und stellten auch Fragen nach seinem Befinden, denn so kurze Zeit er in der Stadt war, so war er doch sehr beliebt, und jeder freute sich seiner Wiedergenesung. Die Landrätin kam persönlich und klagte sich an: »eigentlich sei sie schuld, er habe sich's bei Ostwind auf dem Eise geholt«, und der alte Graf schickte eine große Melone aus seinen Treibhäusern mit einem Billet voll phantastischer Verbindlichkeiten und Ratschläge. Nach Berlin hin war all die Wochen über kein Wort über die Krankheit vermeldet worden, weil Thilde dem Gejammer der Alten entgehen wollte, und auch jetzt, wo die Genesung da war, schrieb sie nichts von der zurückliegenden schweren Sorge. Vielleicht unterließ sie's auch, weil sie der Genesung mißtraute, wozu, wie sich bald zeigen sollte, nur zuviel Veranlassung da war.
    Eines Tages, als Hugo wieder in der Sonnenstelle saß, schlug das Wetter plötzlich ab, ein Schüttelfrost stellte sich ein, und ehe noch der Arzt es feststellen konnte, war es klar, daß ein Rückfall da war. Er nahm in rapidem Verlauf die Form einer rapide fortschreitenden Schwindsucht an, und am zweiten Ostertag abends starb er, nachdem er Thilden ans Bett gerufen und ihr für ihre Tüchtigkeit, ihre Liebe und Pflege gedankt hatte. Diese Worte waren ehrlich gemeint, denn die Bedenken einer frühen Zeit waren ganz geschwunden, und er sah in Thilde nichts als die rührige, kräftige Natur, die sein Leben bestimmt und das bißchen, was er war, durch ihre Kraft und Umsicht aus ihm gemacht hatte.
    Den dritten Osterfeiertag bei niedergehnder Sonne wurd er auf dem Woldensteiner Kirchhof begraben; alles war da, der alte Graf, der alles auf den Arzt schob und dann wieder versicherte, er hab es schon am Neujahrstage gewußt, der Landrat,

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