Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
zur Tür, Twiggy setzte sich ebenfalls in Bewegung. Schaleis erhob sich, nahm das Geld in die Hand und folgte den drei. Doch gleich blieb er stehen und schaute ihnen nach, wie sie die Bürotür öffneten und den langen Flur betraten, von dem nach beiden Seiten Türen abgingen, in denen Ingenieure in weißen Büros mit grauen Teppichen saßen, die an Bildschirmen Röhren verlegten in virtuellen Anlagen, von der Kaffeemaschine über Heizsysteme bis zur Meereswasserentsalzung an arabischen Küsten. Sie öffneten die Tür zum Vorraum, wo die Mitarbeiterin an ihrem PC saß und freundlich »Auf Wiedersehen!« sagte. Als Matti nach der Haustürklinke griff, summte es, und die Tür klackte auf. Draußen schien die Sonne, aber es war noch Frühling, sie wärmte kaum, und ihr Licht war weiß.
Sie setzten sich in die Protzkarre, Twiggy fuhr um die Ecke und manövrierte den BMW in einen Parkplatz am Straßenrand und stellte den Motor aus. Lange schwiegen sie.
»Robbi!«, sagte Twiggy, und er startete den Motor. »Warte«, sagte Dornröschen.
Doch Twiggy fuhr los, und seine Hände zitterten.
Kein Wort auf der Fahrt. Twiggy steuerte wie ein Roboter durch den Verkehr. Sie schoben sich in der Blechlawine über die Oberbaumbrücke, vorbei am Kato , die Skalitzer Straße entlang, in der Mitte geteilt von der auf mächtigen Säulen geführten Trasse der U 1, bis zum Kreisel am Kotti, und dort auf den Kottbusser Damm übers Maybachufer hinweg zum Hermannplatz und dann endlich die Hermannstraße hinunter, bis sie vor dem U-Bahnhof Leinestraße in die Okerstraße abbogen.
Die Tür der Wohnung war unbeschädigt, das Schloss auch. Als Twiggy die Wohnung betrat, wartete Robbi im Gang und maunzte. Twiggy nahm den Kater in den Arm und streichelte ihn. Er atmete durch. Die anderen standen im Flur, und Matti roch etwas Fremdes, womöglich bildete er es sich nur ein.
Twiggy ging, den Kater im Arm, in sein Zimmer, kehrte zurück mit dem Wanzenscanner und prüfte die Wohnung.
»Der meint es so«, sagte Dornröschen. »Er weiß, dass wir die Wanzen finden würden. Der ist nicht blöd.« Sie ging zur Küche, und Matti hörte, wie sie begann, sich einen Tee zu kochen. Den Wasserkocher füllen, die Kanne, die kopfüber auf der Stahlablage neben dem Becken stand, neben den Kocher stellen, Tee einfüllen, die zweite Kanne leeren, neben die erste stellen und das Sieb auf die Öffnung legen.
Matti folgte ihr, und dann erschien auch Twiggy mit Robbi, den Scanner legte er auf die Fensterbank. Er blieb eine Weile stehen und schaute hinaus.
»Und?«, fragte Matti.
»Nichts.«
»Glaubst du, der lässt uns in Ruhe?«
»Weiß nicht.«
Das Wasser begann zu zischen. Als es sprudelte, füllte Dornröschen es in die erste Kanne. Matti sah in ihrem Gesicht, wie ihr Hirn arbeitete. Er wusste, sie wollte sich nicht abfinden mit der Niederlage. Aber blieb ihnen eine Wahl?
Sie schwiegen. Dornröschen füllte den Tee durchs Sieb in die zweite Kanne, goss sich einen Becher ein und setzte sich mit ihm an den Tisch.
»Was meinst du?«, fragte Matti.
Dornröschen gähnte, schniefte und sagte: »Er wird uns in Ruhe lassen. Er hat zwei Möglichkeiten: Er bringt uns um, oder er setzt darauf, dass wir ihn jetzt nicht mehr stören.«
Twiggy schnaubte leise.
»Er wird uns aber nicht umbringen, dann hätte er sich diesen Auftritt sparen können. Außerdem macht es sich nicht gut, noch mehr Leichen zu produzieren. Wer Leichen produziert, produziert auch Fragen. Er hat ein Projekt, das dadurch gefährdet würde.«
»Und das Projekt wird von den Bullen gedeckt«, sagte Matti. »Sonst würden die den Mord an Konny nicht vertuschen. Und den an Norbi auch nicht.«
»Die Bullen vertuschen nichts ohne Befehl von oben«, sagte Twiggy.
Dornröschen nickte nachdenklich. »Ganz bestimmt nicht.«
»Dazu wären die zu feige«, sagte Twiggy.
Das leuchtete Matti ein. Kein Bulle riskierte seinen Pensionsanspruch. Demonstranten verprügeln, Flüchtlinge misshandeln, bei Nazis ein Auge zudrücken, da war das Risiko begrenzt. Aber einen Mord vertuschen oder decken ohne Absicherung von oben? »Wenn die einen oder sogar zwei Morde decken, dann geht es um ein großes Projekt. Und dieses Projekt hat etwas mit Röhren zu tun.«
»Da haben wir ja richtig viel herausgefunden«, sagte Dornröschen enttäuscht. »Ich habe keine Ahnung, ob wir jemals mehr herauskriegen würden.«
Matti blickte sie ein paar Sekunden an. Sie hatte im Konjunktiv gesprochen.
Sie blickte ihre Freunde traurig
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