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Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt

Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt

Titel: Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Woche mit Aldi-Klaus, Ülcan schimpfte, wie es sich gehörte, und schwieg bestenfalls, wenn die Einnahme gut war. Der Alltag gab Matti Halt, konnte jedoch nicht verhindern, dass er an Lily dachte, die ihn im Stich gelassen hatte, als er sie am nötigsten gebraucht hätte. Sie war abgehauen, wie sie beim ersten Mal abgehauen war. Sie hatte ihn fallen gelassen, als wäre er ein Spielzeug, dessen sie überdrüssig geworden war. Vielleicht hatte sie einen anderen Mann getroffen. Eifersucht plagte ihn, sie überkam ihn in Wellen und schmerzte. Die Trennung plagte ihn am Tag, heftiger aber in der Nacht, wo er von Lily träumte und aus dem Schlaf gerissen wurde, um wach zu liegen bis zum Morgen. Dornröschen und Twiggy behandelten ihn wie Porzellan, das vom Licht durchschienen wurde und schon bei einem falschen Blick zu zerbrechen drohte. Die Ravioli nach der Meher-Baba-Schweigeminute schmeckten besser denn je, weil sich die beiden mit den Zutaten mühten. Twiggy hatte eine Gewürzkugel besorgt, in die sie frische Kräuter füllten und in der Tomatensoße mitziehen ließen. Stets wartete eine Flasche kaltes Bier auf ihn. Und das Erstaunlichste war, dass er am Freitagabend beim Mau-Mau gewann, was sofort sein Misstrauen weckte, das aber zeitweilig gedämpft wurde, als er Dornröschens Enttäuschung spürte. In der Nacht überlegte er, ob er ihr schauspielerisches Talent unterschätzt hatte.
    Er lebte wie unter einer Glasglocke. Er sah alles, aber die Außenwelt war getrennt von ihm, wie man beim Blick durch eine Fensterscheibe die Umgebung wahrnimmt, aber nicht ihre Gerüche und die Geräusche nur gedämpft. Nur in den Nächten griff die Wirklichkeit mit Kraft nach ihm, und da wurden die Augen feucht, und es entfuhren ihm Worte, die seine Verzweiflung nur ungenügend ausdrückten.
    Tagsüber war es ihm gleichgültig, was Fahrgäste redeten. Es erregte ihn kaum, als dieser ehemalige Finanzsenator, dessen Herrenmenschenzynismus ihn schon früher genervt hatte, nun die Rassenforschung wiedererweckte, aber dies in Begriffen tarnte, die es anderen rechten Scharfmachern erleichterte, in das Geschrei mit einzustimmen, im Gleichklang mit dem gesunden Volksempfinden, dem sie nun die Muslime zum Fraß vorwarfen. Fast jeder zweite Idiot, der in sein Taxi stieg, entpuppte sich nun als Islamexperte, beglückt, dass endlich mal einer die Wahrheit gesagt hatte. Früher hätte er sich gestritten mit solchen Gestalten, aber er nahm es kommentarlos hin und registrierte kaum, dass er mehr Trinkgeld bekam, weil einige sein Schweigen als Zustimmung missverstanden.
    Am Abend fuhr er einen feinen Pinkel mit Hut und dünnen Lederhandschuhen nach Ahrensfelde, und als er in der Märkischen Allee hinter den S-Bahn-Gleisen das Gewerbegebiet sah, in dem Schaleis’ Firma lag, da würgte ihn der Zorn, und einen Augenblick fürchtete er, keine Luft mehr zu bekommen. Zurück von Ahrensfelde fuhr er einen extragroßen Umweg.
    Unterwegs gabelte er eine junge Frau auf, die außer Atem war und sich freute, ihn erwischt zu haben. Sie hatte ein offenes Gesicht unter brünetten Haaren und wollte zum Ku’damm, was Matti an die Mercedes-Werkstatt erinnerte und auch daran, dass Entenmann längst aus der U-Haft entlassen war und die Kripo alle Ermittlungen eingestellt hatte, wie Gerd berichtete. Sie putzte sich heftig die Nase, und als er in den Rückspiegel schaute, strich sie sich durch die Haare und lächelte ihm zu.
    »Schon lange unterwegs heute?«, fragte sie. Sie hatte eine anziehende, melodiöse Stimme.
    »Es geht so«, sagte er. Unwirsch, wie er gleich bedauerte.
    Sie sagte nichts mehr, bis sie am Ku’damm waren. Wenn er in den Rückspiegel blickte, wichen ihre Augen aus.
    »Hier bitte!«, sagte sie nur noch, als er an der Ecke Olivaer Platz war. Er fuhr rechts heran, sie bezahlte, gab ein kleines Trinkgeld und ging davon. Seine Augen folgten ihr ein paar Sekunden, sie trug einen kurzen Rock und hatte lange Beine. Eine Bö blies ihr eine Locke ins Gesicht, aber es störte sie nicht.
    Er stand eine Weile und starrte hinaus, sah aber nichts außer Schemen. Doch dann entdeckte er einen schwarzblauen Schopf und ihr Gesicht mit diesen Augen. Sie war vielleicht hundertfünfzig Meter von ihm entfernt und redete mit einem Mann. So gestikulierte nur sie, schnelle, kurze Bewegungen, die jede Silbe zu untermalen schienen. Der Mann war groß und älter als sie. Er war ruhig, sein Kopf mit den kurz geschnittenen grauen Haaren bewegte sich kaum, die Daumen hatte er in

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