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Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Titel: Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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unverhüllten Hals, wie er ihn kannte und liebte. Auf der Rückseite enthielt es eine gepreßte Haarlocke von ihr. Er konnte nur raten, wie lange sie dieses Medaillon schon besessen hatte. Sicherlich war es kein Geschenk ihres ersten Mannes, dieses Glücksritters, der bei einer Rauferei in Spanien ums Leben gekommen war. Vielleicht aber stammte es von ihrem zweiten Mann, Luis Parejas. Er war gefallen, als er Bolitho half, ein erobertes Handelsschiff gegen Berberpiraten zu verteidigen. Luis war doppelt so alt gewesen wie Catherine, aber auf seine Weise hatte er sie geliebt. Die Miniatur besaß die Finesse, die er als spanischer Kaufmann geschätzt hätte.
    Damals war Catherine in Bolithos Leben getreten – und nach einer kurzen, heftigen Affäre wieder daraus verschwunden. Das war ein Mißverständnis gewesen, der fehlgeschlagene Versuch, ihrer beider Ruf zu schützen. Bolitho hatte sich oft verflucht, daß er ihre Trennung zugelassen hatte.
    Erst vor zwei Jahren, als die
Hyperion
Antigua anlief, hatten sie einander wiedergefunden. Bolitho führte eine Ehe mit Belinda, die erkaltet war. Catherine war zum dritten Mal verheiratet – mit Viscount Somervell, einem bösartigen, dekadenten Mann. Er hatte versucht, sie physisch zu vernichten, und hatte sie ins Schuldgefängnis werfen lassen, als er von ihrer neu entflammten Leidenschaft erfuhr. Bolitho hatte sie daraus gerettet. Er hörte ihre Stimme so klar, als stünde sie neben ihm auf dem schnell trocknenden Deck: »Trag dies immer bei dir, Liebster. Ich werde es dir erst wieder abnehmen, wenn du neben mir liegst.« Er fühlte die Gravur auf der Rückseite des Medaillons, die sie in London hatte anbringen lassen:
Möge das Glück dich immer leiten. Möge die Liebe dich immer schützen.
    Bolitho trat an die Finknetze und beschattete seine Augen, um ein paar Möwen zu beobachten. Dann wandte er den Kopf und hielt den Atem an. Die Sonne war zwar stark, blendete aber noch nicht genug, um … Er zögerte, starrte zur glitzernden Kimm. Nichts geschah. Kein Nebel stieg auf wie ein böser Geist und trübte sein linkes Auge. Er atmete auf.
    Allday bemerkte Bolithos Reaktion und freute sich. Das Gesicht des Vizeadmirals hatte ausgesehen wie das eines Mannes auf dem Schafott, der im letzten Augenblick begnadigt worden war.
    »An Deck!« Alle Gesichter wandten sich nach oben. »Segel an Steuerbord achteraus!«
    Scharf befahl Poland: »Mr. Williams, entern Sie auf und nehmen Sie ein Fernglas mit nach oben!«
    Der Erste nahm dem Midshipman der Wache das Teleskop ab und kletterte in den Wanten des Großmasts zum Krähennest hinauf.
Truculents
Leinwand blähte sich kaum, doch die Bramsegel des fremden Schiffes schienen sich ihnen auf konvergierendem Kurs mit großer Schnelligkeit zu nähern. Bolitho hatte das oft beobachtet: Im selben Seegebiet hing das eine Schiff in der Flaute fest, während das andere mit vollen Segeln dahinstürmte.
    Poland sah Bolitho ausdruckslos an, aber seine Hände öffneten und schlossen sich an seiner Seite und verrieten seine Erregung.
    »Soll ich klar zum Gefecht machen, Sir Richard?«
    Bolitho hob das Teleskop. Eine ungewöhnliche Peilung.
    Wahrscheinlich gehörte der Ankömmling nicht zum örtlichen Geschwader. »Wir lassen uns noch Zeit, Kapitän Poland. Zweifellos können Sie die Kanonen in weniger als zehn Minuten ausrennen lassen, wenn es sein muß.« Poland errötete. »Ich – also, Sir Richard …« Er nickte energisch. »In weniger, ganz bestimmt.«
    Bolitho richtete das Glas sorgsam aus, konnte aber nur die Mastspitzen des Ankömmlings erkennen. Er sah die Peilung auswandern, weil der andere Kurs änderte, als wolle er sich auf die
Truculent
stürzen.
    Leutnant Williams rief aus dem Krähennest: »Fregatte, Sir!« Bolitho sah winzige Farbflecken über dem fremden Schiff aufsteigen, als dort ein Flaggensignal gehißt wurde. Williams rief die Kennziffern nach unten. Poland konnte sich nur mit Mühe davon zurückhalten, dem Midshipman das Signalbuch aus den Händen zu reißen.
    Der Junge stotterte: »Es ist die
Zest
, Sir. Vierundvierzig Kanonen. Unter Kapitän Varian.«
    Poland murmelte: »Oh, ich weiß, wer
er
ist. Antwortet mit unserer Kennung – schnell!«
    Bolitho senkte das Glas und beobachtete die beiden Gesichter. Das des Midshipman war verwirrt, fast verängstigt. Noch vor wenigen Minuten hatte er den ersten Hügel des ersehnten Landes gesehen, das sich aus dem Seedunst hob, und im nächsten Augenblick war das alles unwichtig geworden,

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