Max Weber (German Edition)
Soziologie entwickelte Kategorienschema versuchte Weber zur Begründung einer erfahrungswissenschaftlich ausgerichteten Soziologie einzuführen. Diese auf Kurzformeln wie «Verstehende Soziologie» oder «Soziologie des sozialen Handelns» zu reduzieren wird der Vielschichtigkeit des Weber’schen Ansatzes nicht gerecht. Zwar ging Weber vom sozialen Handeln einzelner handelnder Individuen und den daraus entstehenden sozialen Beziehungen aus, er verfolgte deren Wirkungen jedoch ganz eindeutig vor allem in die Bereiche der gesellschaftlichen Strukturen und Ordnungen hinein. Gerade dort liegen auch die Schwerpunkte seiner Darstellungen und nicht bei der Analyse individuellen Handelns.
3.) Die durchgängige Betonung des Wirkens ideeller und materieller Interessen erlaubt es nicht, Max Weber auf eine normativ orientierte Soziologie festzulegen. Er versuchte, den Einseitigkeiten rein funktionalistischer Ansätze ebenso zu entkommen wie denen rein «materialistischer» Ansätze. Sein Thema waren die vielfältigen, oft widersprüchlichen und unbeabsichtigten Wirkungen des Zusammenwirkens «ideeller», «sozialer» und «materieller» Faktoren.
4.) In Wirtschaft und Gesellschaft ordnete Weber die untersuchten Teilgebiete und Querverbindungen ein als Teilerscheinungen einer allgemeinen historischen Entwicklung der «Rationalisierung» des Lebens. Dieser These Max Webers begegnet man in allen hier behandelten Teilbereichen seines Werkes. Nach der sein gesamtes Werk bestimmenden forscherischen Beschäftigung mit den Ursprüngen und Wirkungen des Kapitalismus stieß Weber allmählich und immer intensiver auf die These von einer allgemeinen, übergreifenden Entwicklung: die der Rationalisierung. Bei seinen Untersuchungen über die Voraussetzungen und die «Kulturbedeutung» dieser universalhistorischen Erscheinung verfolgte er ihre Manifestationen – interkulturell und diachron – in allen behandelten gesellschaftlichen Teilbereichen. Rationalisierung, als das «Schicksal unserer Zeit», war die gemeinsame Formel für jene zahlreichen Teilprozesse, die er abwechselnd Bürokratisierung, Industrialisierung, Entwicklung zum Kapitalismus, Spezialisierung, Säkularisierung, Versachlichung, Entzauberung, Entmenschlichung nannte. Webers Forschen nach der «Gültigkeit» seiner Hypothesen führte ihn sowohl zu Bereichen historischer Wirklichkeit, für die rationales Vorgehen erwartet wird – wie Technik, Wissenschaft, Wirtschaft und Recht –, als auch in Bereiche, die üblicherweise als eher «irrational» wahrgenommen werden – wie Religion, Ethik, Sexualität, Musik, Kunst und Kultur.
5.) Die von Weber konstatierten und untersuchten Prozesse eines steten Vordringens der Rationalisierung wurden von ihm nicht als unilineare, gesetzmäßig ablaufende Entwicklungen dargestellt. Sowohl seine Feststellung, dass historische Wirklichkeit sich nur als Mischungsverhältnis idealtypischer Konstruktionen analytisch beschreiben lässt, als auch die immer wiederkehrende Betonung von auch gegenläufigen Entwicklungen – beispielsweise der «Pendelbewegungen» von «Bürokratischer Ratio» und «Charisma» für den Bereich der Herrschaft – sollten genügen, aus ihm keinen Propagandisten blinder Fortschrittseuphorie zu machen. Eine schlichte «Evolutionstheorie», nach der Weltgeschichte sich als steter Aufstieg zur Vollkommenheit rationaler Weltbeherrschung darstellen würde, wäre ein groteskes Missverständnis des Weber’schen Werks. Gerade das Unwahrscheinliche, «Zufällige» und Gegenläufige an jenem Prozess, den er Rationalisierung nannte, und zugleich dessen konstante Unterbrechung durch «nicht-rationale» Entwicklungen waren es, was ihn zeitlebens faszinierte und ihn die Fragestellung auf immer neue Gebiete anwenden ließ.
6.) Bei der Ausarbeitung seiner These von der Rationalisierung des Lebens sind es vor allem vier Fragestellungen, die sich durch sein gesamtes Werk ziehen:
– Warum hat nur das «Abendland», der Okzident, eine spezifisch «rationale» Kultur von universalhistorischer Tragweite? Es ging Weber nicht so sehr darum, jenen zeitgenössischen nationalökonomischen, rechtshistorischen und nicht zuletzt sozialwissenschaftlichen Evolutionismus zu teilen, wie er im Laufe des 19. Jahrhunderts international verbreitet war. Vielmehr stand bei ihm, wie bereits in seinem Objektivitäts-Auf satz und seinen Studien zur Kulturbedeutung des Protestantismus, weniger die inhärente Rationalisierungsperspektive als
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