Maxie und ein Fisch mit Fernweh
Hoffe ich. Wissen tue ich es natürlich nicht.
Aber man muss was riskieren im Leben, das ist so ein Lieblingsspruch von Papa gewesen. Und damit hat er hundertprozentig Recht.
„Luki, bist du verletzt?“ Sebastian Pfeffer taucht plötzlich wie aus dem Nichts auf und stürzt auf Lukas zu. Echt unheimlich, der Mann. Irgendwie ist er überall, wo es nach Ärger riecht. Er reißt seinen Sohn stürmisch aus Janas Armen und untersucht besorgt sein geschwollenes Auge. „Welcher Junge war das?“, fragt er.
„Jule“, antwortet Lukas mit einem Zittern in der Stimme.
„Ein Mädchen hat dich gehauen?“, fragt Herr Pfeffer überrascht.
Lukas nickt. Er zeigt mit dem Finger auf meine Schwester. „Ich hab aber nicht angefangen.“ Er zieht theatralisch Rotz hoch.
„Waaaas?“ Jule brüllt vor Empörung ein astreines hohes C. „Natürlich hast du angefangen.“ Zwischen zornigen Schluchzern stößt sie hervor: „Lukas hat gesagt, dass Eddy aus dem Maul stinkt. So was Gemeines hat noch nie jemand über ihn gesagt.“
Frau Rabe guckt verwirrt. „Eddy?“, sagt sie unsicher. „Ist das jemand aus eurer Familie?“ Sie sieht Kassia und mich fragend an.
„Eddy ist unser Esel“, antwortet Kassia würdevoll. Sie schaut Frau Rabe in die Augen, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. „Und ja: Er gehört zu unserer Familie. Kein Wunder, dass meine Schwester so sauer geworden ist.“
Frau Rabe seufzt tief. „Ach, Jul e …“, sagt sie. Sie sieht aus, als würde sie krampfhaft nachdenken, was sie jetzt machen soll.
„Lukas hat die Gefühle meiner Schwester verletzt“, sagt Kassia ungerührt. „Es war also Notwehr.“ Sie verschränkt die Arme.
„Dieser blöde Esel schon wieder“, meldet sich Sebastian Pfeffer empört zu Wort. „Das Vieh macht nur Ärger. Ein gefräßiger Störenfried auf vier Beinen. Gemeingefährlich.“
Ich könnte Herrn Pfeffer augenblicklich in der Luft zerreißen.
Überraschend meldet sich Lukas zu Wort. „Stimmt gar nicht, Papa. Der Esel ist voll süß und man kann supergut auf ihm reiten. Aber er müffelt aus seinem Maul, ganz doll! Und deshalb habe ich zu Jule gesagt, dass sie ihm Zahnkaugummi geben muss. Das war alles. Aber sie ist gleich stinkwütend geworden.“
Alle schweigen für einen Moment verblüfft. Selbst Herr Pfeffer.
Zahnkaugummi! Ich krieg die Krise.
Die Pfefferjungs haben wirklich nicht alle Tassen im Schrank. Wo ist eigentlich Jonas? Ich schaue mich suchend nach ihm um, kann ihn aber nirgends entdecken. Ich wundere mich, denn ich hätte gedacht, dass er sofort losstürmt, um seinen kleinen Bruder mit flammendem Schwert zu verteidigen.
„Wo ist eigentlich Jonas?“, fragt Herr Pfeffer in diesem Moment und schaut sich ebenfalls suchend um.
Ich zucke zusammen. Herr Pfeffer mischt sich nicht nur in alles ein, er kann offensichtlich auch Gedanken lesen. Wäre ich so verrückt wie Kassia, würde ich jetzt denken, dass er ein Außerirdischer mit übersinnlichen Fähigkeiten ist. Zum Glück glotze ich nicht Nacht für Nacht durch ein Fernglas auf fremde Planeten wie meine Schwester. Einer in unserer Familie muss ja einen klaren Kopf bewahren.
Kassia glaubt ganz im Ernst an bewohnte Planeten. Auf einem, behauptet sie steif und fest, lebt jetzt unser Papa.
„Wo ist Jonas?“, wiederholt Herr Pfeffer ungeduldig seine Frage. „Warum hat er dir nicht geholfen, Lukas?“
In diesem Augenblick sehe ich ihn. Er versteckt sich auf dem Lehrerparkplatz hinter dem Lieferwagen, der die Schulmilch bringt, und beobachtet uns.
Überrascht starre ich ihn an. Jonas schaut zurück. Ich gebe ihm ein Zeichen, dass hier die Luft brennt. Er legt seinen Zeigefinger auf die Lippen und macht dieses typische Jonasgesicht. Diesmal aber nicht wütend oder böse, sonder n … bittend.
„Jonas ist drinnen geblieben, ich glaube, nach der Deutscharbeit war ihm nicht gut. Er sagte, ihm purzeln die Gedanken so hin und her, das macht ihn ganz schwindelig“, antworte ich hastig und frage mich im selben Moment, warum um alles in der Welt ich das jetzt sage.
Herr Pfeffer nickt. „Ach so.“ Anscheinend weiß er über Jonas’ Problem Bescheid.
„Jetzt gebt ihr beiden euch endlich die Hand, sagt gegenseitig Entschuldigung und versprecht, dass so etwas nie wieder vorkommt“, mischt sich Frau Rabe plötzlich gewohnt energisch ein und fixiert Lukas und Jule mit strengem Blick.
Ich atme erleichtert auf. Scheint ja noch mal gut zu gehen.
„Los, Schnecke“, flüstere ich meiner Schwester ins Ohr.
Weitere Kostenlose Bücher