Maxie und ein Fisch mit Fernweh
wäre es denn damit: Wie mein peinlicher Vater an diesem Wochenende erst eine Mauer überrollte, dann im Kaninchenstall zwischenlandete und schließlich fast von einem Esel aufgefressen wurde?“
Jonas’ vernichtender Blick geht mir durch Mark und Bein.
Ist ja krass. Dieser Junge ist ein echtes Naturtalent.
Ich stelle als Grenze meinen größten Ordner zwischen uns und mache mich dahinter so unsichtbar wie möglich. Schließlich soll Jonas Pfeffer mir auf keinen Fall ansehen, wie unendlich neidisch ich auf seine außergewöhnliche Begabung bin.
Nach zwei Stunden …
Nach zwei Stunden, die gar nicht enden wollen, gongt es endlich zur Frühstückspause. Ich habe meinen eigenen Rekord gebrochen und einen Aufsatz abgegeben, der nicht länger als eine halbe Seite ist. Ich sehe bereits den traurigen Gesichtsausdruck von Frau Glöckner vor mir, wenn sie mir mein Heft zurückgibt. Vermutlich will sie dann wieder einmal mit Mama sprechen.
Ich bin selbst nicht stolz auf meine schlechte Leistung, aber diesmal ist wirklich meine Lehrerin daran schuld, dass mir nichts Gescheites eingefallen ist. Schließlich hat sie Jonas Pfeffer neben mich gesetzt. Der hat übrigens noch weniger geschrieben.
Ich räume nicht einmal meine Schreibsachen weg, sondern rase so schnell ich kann hinunter auf den Hof.
Meine Brotdose habe ich gleich im Rucksack gelassen. So komisch, wie ich mich fühle, würde ich selbst an einem Krümel Zwieback ersticken.
… hämmert es unentwegt in meinem Kopf herum.
Ich würde am liebsten kopfüber in den Sandkasten abtauchen und warten, bis Schulschluss ist. Ich weiß schon, warum ich Montage nicht leiden kann. Erschöpft lasse ich mich einfach in den feuchten Sand fallen und strecke alle viere von mir. Die Schäfchenwolken rasen in einem Affenzahn über den blauen Himmel, so als wären sie auf der Flucht. Ich würde am liebsten mit davonlaufen.
„Hei, Maxie, alles klar?“ Jana taucht über mir auf und lächelt mich mitleidig an. „Hast du den Aufsatz einigermaßen hingekriegt? Die Aufgabe war echt einfach, finde ich. Zu dem Thema fällt doch jedem etwas ein. Wir waren am Wochenende bei meiner Tante, die hat ein Fohlen gekriegt, also ich meine natürlich, ihr Pferd Hilde hat eines gekriegt.“ Sie kichert. „Total süß. Es heißt Gustav und hat ein weißes Herz zwischen den Augen. Ich habe fünf Seiten lang total genau beschrieben, wie Gustav geboren wurde, was er frisst, wie seine Eltern aussehen und so weiter. Wir haben eine richtige Geburtstagsfeier im Stall gemacht, mit Schokoladentorte und einer Kerze, das war total schön. Frau Glöckner wird zu viel kriegen. Ich weiß zufällig, dass sie Angst vor Pferden hat, weil sie mal von einem runtergefallen ist. Ich muss dir unbedingt meine Handy-Fotos zeigen.“
Sie beißt in ein dick belegtes Käsebrot und kaut genüsslich. „Dieser Jonas ist eigentlich ganz nett“, nuschelt sie. „Ist doch gar nicht so schlimm, dass wir die Plätze tauschen mussten, oder? Tim ist ja auch ganz o.k.“ Ihre Stimme klingt plötzlich ein wenig verlegen.
„Du hast ja keine Ahnung“, platzt es aus mir heraus. „Seit gestern haben wir den totalen Stress mit diesen Pfeffersäcken. Der doofe Vater hat mit seinem Auto fast unsere Kaninchen über den Haufen gefahren und meine Mutter ist deshalb sogar krank geworden. Die sollen dahin gehen, wo der Pfeffer wächst.“
Jana reißt ihre großen blauen Augen auf. „Echt? Das tut mir leid. Erzähl mal genau!“
In diesem Augenblick kommt Tim angelaufen. „He, Maxie, deine kleine Schwester prügelt sich da hinten beim Klettergerüst mit einem Jungen“, ruft er atemlos. „Die hat eine ganz schöne Faust“, sagt er anerkennend. „Der Junge hat schon ein blaues Auge.“ Er wirft einen begehrlichen Blick auf Janas Frühstück.
„Willst du mal abbeißen?“, fragt Jana und hält ihm ihr Brot hin.
Tim nickt eifrig. „Gerne. Ich habe meins zu Hause liegen lassen. Ich geb dir dafür ein Eis aus.“ Er wird rot.
Ich stürme los. Was ist denn in Jule gefahren? Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mal richtig Streit mit Gleichaltrigen gehabt hätte. Meistens fängt sie vorher an zu weinen.
Am Klettergerüst herrscht tatsächlich Prügelalarm. Ein Dutzend kleiner Kinder steht kreischend dabei und feuert die Streithähne lauthals an. Jule kugelt in ihrem nagelneuen Sommerkleid mit den Kirschen, das sie sich erst letzte Woche mühsam von Mama erbettelt hat, weil es ziemlich teuer war, über den sandigen Boden.
Ich traue
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