Maximum Warp
eigener Aussage um Milde bemüht war und die aufbegehrenden Bajoraner als Kinder sah, um die es sich zu kümmern galt, kann er bis zum Schluss nicht verstehen, dass er dennoch ein Unterdrücker und Mörder war. Dukat, dessen Liebe zu seiner halbbajoranischen Tochter Ziyal und dessen aufrichtigen Gefühle zu Kira Nerys nicht bestritten werden können, scheitert letzten Endes an jenem Widerspruch, in den sein Volk als Ganzes verheddert ist: Er ist ein Kriegsherr und will sich trotzdem nicht so sehen. Er ist von Machtgier zerfressen und betrachtet sich als bescheiden. Vor dem Hintergrund der Entwicklung seines Volkes erscheint Dukat plötzlich nicht mehr nur als Täter, sondern auch als Opfer; gefangen in einer schweren Selbstverleugnung.
Garak wiederum ist ebenfalls ein sehr widersprüchlicher Charakter. Wie in der Serie mehr als nur einmal angedeutet wurde und wie wir im DS9-Roman
Ein Stich zur rechten Zeit
vertieft nacherleben dürfen, hat er in seinem wendungsreichen Leben viele Rollen eingenommen. Er ist reich an Erfahrung und Bildung und weiß durch Charme und Intelligenz zu bestechen. Trotzdem hat all das, was bei regelmäßigen Replimat-Plaudereien mit Julian Bashir so sympathisch wirkt, eine dunkle Schlagseite. Garak hält seine Vergangenheit gut unter Verschluss, vor allem seine Zeit als Geheimdienstoffizier, in der er für viele schreckliche Taten mitverantwortlich war.
Obwohl es seiner kultivierten Natur auf den ersten Blick zuwider zu laufen scheint, ist der spätere DS9-Schneider ein Kind seiner Gesellschaft und ließ sich auf Gedeih und Verderb in den brutalen Militär- und Geheimdienstapparat einspannen, buhlte sogar um dessen Anerkennung. Man kann Garak als Individuum sehen und ihn seiner Taten wegen beschuldigen. Genauso gut kann man ihn jedoch – wie Dukat – als ein Opfer und einen getreuen Ausdruck der cardassianisehen Gesellschaft betrachten, die er gerade in seinem Schlussplädoyer in
Das, was du zurücklässt
... ebenso von ganzem Herzen liebt wie abgrundtief verteufelt:
»Einige werden bestimmt sagen, dass wir nur bekommen haben, was uns zusteht. Unsere ganze Geschichte ist eine Geschichte arroganter Aggression. Wir sind schuldig im Sinne der Anklage. Natürlich wird Cardassia überleben. Aber nicht als das Cardassia, wie ich es kannte. Wir waren groß.«
CARDASSIANER ALS ALLEGORIE
Zwei Herzen schlagen in der Brust der Cardassianer, um es mit Goethe auszudrücken. Dadurch entziehen sie sich dem üblichen Schwarz-Weiß-Schema, dem viele Außerirdischen in Science-Fiction-Serien unterliegen. Die Cardassianer sind nicht so archetypisch wie die Klingonen, die Romulaner oder die Borg. Sie sind nicht auf wenige Aspekte fokussiert und auch nicht in wenigen Sätzen zu beschreiben. Sie sind eine vielschichtige Kultur mit einem Hintergrund, der nicht einfach nur Kulisse ist, sondern eine prägende Vorgeschichte.
Star Trek
will eine Allegorie auf das Wesen Mensch sein. Daher sind die Außerirdischen, die es bietet, immer auf uns rückzubeziehen. Ehre bei den Klingonen, Intrige bei den Romulanern, Kapitalismus bei den Ferengi, Askese und Logik bei den Vulkaniern, Glaube und Religion bei den Bajoranern. Aber die Cardassianer? Sie liegen zwischen den Zeilen. Sie lassen sich nicht so einfach greifen. Deshalb sind sie auch nicht die allegorischen Faschisten in
Star Trek
– was ihnen hier und da angedichtet wird –, sondern haben ihren eigenen Stellenwert. Daher lassen sie sich in viele Richtungen deuten.
Sicher ist allerdings eines: Mehr als bei den geläuterten und idealistischen Menschen der Zukunft stoßen wir bei den Cardassianern auf unsere eigene Lebenswirklichkeit Wir finden ein kriegerisches Wesen, einen liebevollen Familiensinn, Mitgefühl und Erbarmungslosigkeit, das ganze Spektrum unserer eigenen, von Widersprüchen übersäten Persönlichkeit. Vielleicht sind die Cardassianer deshalb nie zum Publikumsliebling avanciert, weil man sie zugleich lieben
und
hassen muss. Und vielleicht haben wir deshalb Nachsehen mit jemandem wie Garak, weil er uns möglicherweise besser in
Star Trek
reflektiert als einer der großen Sternenflottencaptains. Es ist vielleicht alles eine Frage der Ehrlichkeit.
5.9
REGIEREN IN UTOPIA
Das politische System der Föderation
von Julian Wangler
Vereinigte Föderation der Planeten. Seit nahezu einem halben Jahrhundert ist dieser Begriff in Fernseh- und Leinwandwelten Programm – jüngst wieder in der
Star
Trek-Neuschöpfung von J. J. Abrams. Und mehr ist eigentlich
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