Mea Suna: Seelensturm Band 1 (German Edition)
Federn und die Nacht machten das Ganze nicht einfacher. Sie legte zwar immer wieder kleine Pausen ein, doch nach einer kurzen Strecke war ich schon völlig verschwitzt. Ich sollte meine Kräfte schonen, falls es doch zu einem Kampf kommen würde. Entschlossen, es langsamer anzugehen, zog ich mein Handy aus der Tasche und rief meine Schwester an. Schon nach dem ersten Klingeln nahm sie ab.
»Jade? Alles in Ordnung?«, ihre Stimme klang besorgt.
»Ja, alles läuft nach Plan. Bei dir auch?«
»Natürlich! Sie sind wirklich drauf reingefallen«, kicherte sie.
»Gut, ich melde mich dann später wieder bei dir. Ich bin gleich am Treffpunkt.«
»In Ordnung. Pass bitte auf, Jade, ja?«
»Klar, bis später.« Dann legte ich auf.
Die Maori-Krähe wartete geduldig eine Etappe nach der nächsten ab und es dauerte nicht mehr lange, bis wir an den Waldrand kamen. Es war unheimlich, die ersten Schritte in den Wald zu wagen. Die Taschenlampe leuchtete den Weg aus, hin und wieder strahlte der Mond auf den Schotterweg, ansonsten war er von den vielen Ästen und Zweigen verdeckt.
Meine Schritte wurden langsamer und vorsichtiger. Ich konzentrierte mich genau auf meine Haut, bis ich ganz allmählich das leise Kribbeln darauf wahrnahm. Jetzt wusste ich sicher, dass ein Taluri in meiner Nähe war. Jeden Meter, den ich voran schritt, wurde das Kribbeln mehr zu einem Brennen, und als ich den Spielplatz betrat, bildeten sich bereits die Ornamente auf meiner Haut.
Meine rechte Hand hielt ich auf dem Rücken, das Messer war bereit, dass ich es herausziehen könnte, falls es nötig werden würde. Angespannt ging ich in kleinen Schritten weiter. Nirgends konnte ich ihn entdecken, obwohl ich wusste, dass er hier war. Ich drehte mich und sah angestrengt in die kleinen Nischen des Kletterturms, in die Hecken des Spielplatzes, in die vielen kleinen Winkel, in denen er sich hätte versteckt halten können.
»Ich weiß, dass du hier bist. Also zeig dich«, befahl ich ihm und hoffte, er würde es auch tun, damit ich endlich wusste, in welcher Richtung er sich befand. Ein ganzes Stück von mir entfernt, hinter mir, in der Nähe der Schaukel hörte ich etwas und drehte mich blitzschnell um.
Da stand er, groß, muskulös und geheimnisvoll, völlig in Schwarz gekleidet. Er hielt seinen Kopf gesenkt und sah von unten zu mir her. Sein Gesichtsausdruck war nicht gerade freundlich, gefährlich blickte er zu mir. Ein Schauer fuhr mir eiskalt den Rücken hinunter bei seinem Anblick. Das Gefühl, das ich schon damals hatte, als ich ihn das erste Mal sah, wich nicht. Fasziniert stand ich völlig in seinem Bann, ich verspürte keinerlei Angst, doch angespannt war ich schon.
»Schön, dass du gekommen bist, Amy«, sagte er. Auch er wirkte verkrampft, das hörte ich an seiner Stimme. Ich nickte ihm zu, mehr brachte ich in diesem Augenblick nicht zustande.
»Könntest du bitte so nett sein und das Messer weglegen?«
Woher wusste er das? Peinlich berührt bemerkte ich, wie sich meine Wangen rot färbten und ich war froh, dass es dunkel war.
Als Zeichen dafür, dass er keine Waffen bei sich trug, breitete er seine Arme aus, damit ich sehen konnte, dass auch er wirklich unbewaffnet war. Seltsamerweise glaubte ich ihm sofort, nahm widerwillig das Messer und warf es ein paar Meter weiter in den Sand.
»Sehr schön«, lobte er mich, »und jetzt entspann dich. Ich werde dir nichts tun.«
»Wie hast du das gemacht?«, entfuhr es mir, als ich ein kleines Rauschen des Funkgerätes hörte und es mich daran erinnerte, dass er es mir zu meiner Sicherheit auf die Wiese im Garten gelegt hatte.
»Wie habe ich was gemacht?«
»Na, das Funkgerät. Wie kamst du auf das Grundstück? Warst du in unserem Haus?« Seine weißen Zähne blitzten in der Dunkelheit auf, er grinste.
»Und wie schaffst du es, einen Taluri solchen Qualen auszusetzen?«, wollte er wissen, ohne mir eine Antwort auf meine Fragen zu geben. Er ging ein paar Schritte nach rechts, behielt mich jedoch im Auge. Es war mir nicht bewusst, dass ich überhaupt etwas in ihm auslösen konnte. Von was für Qualen sprach er?
»Wie meinst du das?«, fragte ich und ging langsam ein paar Schritte nach vorn.
»Halt! Stopp!«, rief er laut und erschrocken blieb ich sofort stehen. In seinen Augen funkelte etwas und sein Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. Nur langsam trat ich die Schritte wieder zurück.
»Eine Unterhaltung wird mit so einem Abstand auf die Dauer aber anstrengend«, rief ich ihm zu, während
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