Ich krieg die Krise! (German Edition)
Katinka Buddenkotte: Die einzige Frau
Warum habe ich nichts Anständiges gelernt? Und warum habe ich nichts Unanständiges gelernt?
Im Internet habe ich ein Video gesehen, zunächst hat mich nur dessen Inhalt verblüfft. Eine junge, allerdings voll entwickelte Musikerin gab tiefen Einblick in ihre ganz besondere Technik des Pianospiels. Allein mit ihren entblößten Brüsten entlockte sie dem Instrument die Mondscheinsonate , komplett mit Ein-Nippel-Bass-Begleitung. Dann erst sah ich, dass noch 400.000 andere kranke Köpfe sich diesen neu interpretierten Klassiker angeschaut hatten. Wow.
Ich erkenne den Markt der Zukunft, wenn ich ihn sehe, bin aber handlungsunfähig.
Warum hat Gott mir Brüste geschenkt, wenn ich nicht mal in der Lage bin, mit ihnen den Refrain von Pokerface vorzutragen?
Warum schaffe ich es nicht, die Waffen einer Frau zu laden und abzufeuern, wenn die Bühnen dieser Welt rufen?
Dabei war mir die Presse einst wohlgesinnt. Man könnte sogar sagen, sie hat mir zugespielt, im Vorfeld, mir dezente Hinweise gegeben, womit ich auf der Bühne glänzen könnte.
So schrieb der Mechtruper Bote in seiner Vorankündigung zu meinem Auftritt: »Katinka Buddenkotte ist die einzige Frau um Bunde.«
Darauf hätte ich doch verdammt noch mal aufbauen sollen! Hätte ich mich nur auf meine besondere Chromosomenzusammenstellung besonnen und ein Set hingelegt, wie es im Buche steht – oder wenigstens im Mechtruper Boten : »Mit ihrer typisch weiblichen Sicht auf alltägliche Themen präsentiert sie uns einen Blickwinkel, der die Lachmuskeln strapaziert …« Das war doch eine Supervorlage, auch wenn sie nicht aus meinem Pressetext stammte, sondern aus Mechtrup.
Also übten wir das zu Hause einen Tag vor meinem Auftritt. Mein Freund (typischer Mann übrigens, ich habe nachgeschaut) kommentierte die Alltagssituation klassisch testosterongeladen: »Kaffee ist alle.«
Ich präsentierte daraufhin einen ganz neuen, weiblichen Blickwinkel, äugte also von schräg links in die Kanne und pointierte scharf: »Stimmt.«
Was haben wir gelacht. Obwohl es ja ganz schön scharfzüngig war, da habe ich mal richtig den moralinsaueren Zeigefinger in die Wunde gelegt, das war die »bitterböse Satire«, auf die sich die Mechtruper gefreut hatten. Seit nunmehr einem Jahr hatten sie schließlich der Veranstaltung entgegengefiebert, dem »kabarettistisch-kulinarischem Ausnahme-Event, mitten in Mechtrup«.
Sie haben mir doch geholfen, wo sie konnten, aber ich habe mich wieder einmal verwirren lassen. Als die Organisatorin des Spektakels mich am Bahnhof Mechtrup abholte, glänzten ihre Augen: »Da ist ja auch die Frau«, trötete sie über den Bahnsteig. Neugierig folgten die Blicke der Mechtruper ihrem ausgestreckten Zeigefinger, einige schnupperten aufgeregt an meinem Haar, schlugen sich dann aber wieder aufgeregt zurück auf die Rübenfelder, aus denen sie herangehoppelt waren. Die Organisatorin schüttelte meine Hand und stellte sich artig vor: »Ich freue mich ja so, dass eine Frau mitmacht. Ich bin ja auch eine Frau!«
»Nicht möglich«, erwiderte ich höflich. So viel Wohlwollen und Herzlichkeit war mir zuletzt bei einer Lesung in der JVA Ossendorf begegnet, wobei die innige Umarmung damals nur der Waffenkontrolle galt.
Im Festsaal Mechtrups liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren.
Männer schleppten Bühnenelemente, Männer stiegen auf Leitern, Männer riefen Männern zu, dass sie Männerdinge tun sollten, Männer trugen scheußliche Krawatten, damit man sie als Jurymitglieder erkannte. Die Organisatorin stellte mich der Krawatte vor: »Das ist der Gunter Federmann, das hier ist Frau Buddenkotte, die einzige Frau.« Herr Federmann lächelte und bestätigte: »Wie schön, dann ist ja auch die Frau da. Die Kollegen sind schon in der Garderobe.«
Während ich zu den Kollegen geleitet wurde, dachte ich darüber nach, ob ich vielleicht irgendetwas an der Einladung zum kabarettistisch-kulinarischen Ausnahme-Event übersehen oder gar missverstanden hatte: Bin ich gar nicht zum Auftreten hier? Bin ich in einem schlechten 70er-Jahre-Kannibalen-Bilderwitz aus der Hörzu gelandet, in dem der Knochen-in-Haarschopf-Häuptling nach Hause kommt und seine Ehefrau wissen lässt: »Schatz, ich habe noch wen zum Essen mitgebracht.« Und sie antwortet: »Frauen schmecken nicht so streng.«
Glücklicherweise kannte ich die anwesenden Herren Kollegen zum Teil schon, natürlich setzte die Organisatorin erneut an: »Das ist die
Weitere Kostenlose Bücher