Meconomy
VHS-Lehrer, der allen beibrachte, Briefe am Computer zu schreiben. Den Töpfer- und den Trommelkurs, die Baby-Krabbelgruppe und die Freundin, die immer die besten Partys organisierte – alles Experten. Wir sollten uns aber sehr wohl überlegen, ob wir lieber für unsere berufliche Qualifikation oder eine private Leidenschaft bekannt sein wollen. Möglicherweise können wir das online trennen – seriöses Banker-Profil bei Xing, Rock-Gitarrist auf MySpace. Glückliche Menschen schaffen es, beides zu verbinden. Was uns zum letzten Punkt bringt.
Wir müssen Dinge machen . Als Sachbearbeiter Vorgänge sauber abzuschließen macht uns weder für etwas bekannt, noch schärft es unser Profil als Experte, noch erweitern wir dadurch ein Portfolio, das uns von anderen unterscheidet. Wir wissen nicht, welche Akten Franz Kafka als Versicherungsangestellter bearbeitet hat. Wir kennen seine Romane, Erzählungen und Briefe. Standard-Arbeiten werden zum Glück heute automatisiert oder outgesourct. Deswegen muss nicht plötzlich jeder Romane schreiben. Aber die Frage, was Sie am Ende Ihres Lebens geschaffen haben wollen, was Ihr – wie es im Englischen so schön heißt – „body of work“ sein soll, muss erlaubt sein. „Das Internet macht uns nicht kreativer“, schreibt Jarvis: „aber es erlaubt unseren Kreationen, gesehen, gehört und benutzt zu werden. Es ermöglicht jedem Kreativen, ein Publikum zu finden, das er oder sie verdient.“ Bevor wir uns mit diesem letzten Punkt näher befassen, soll klargestellt sein: Kreieren kann man nicht nur Bilder, Musik oder Tanz. Auch eine Unternehmensgründung, eine Ingenieursleistung oder eine Wissensvermittlung können immens kreative Akte sein. Es kommt zunächst einmal nicht darauf an, wie „wertvoll“ ein Produkt oder eine Idee ist. Es kommt darauf an, dass wir sie schaffen.
Werden Sie der Anführer Ihres eigenen Stammes
Seth Godin ist ein Advokat des neuen Denkens. Wie wenige bringt der amerikanische Marketing-Experte, Unternehmer und Buchautor knackig auf den Punkt, was genauso anders ist an der neuen Wirtschaftsordnung, die wir Meconomy nennen wollen. Godin prägte im Jahr 2009 den Begriff der „Tribes“, zu Deutsch „Stämme“, um die neuen Beziehungsgeflechte zwischen Menschen zu beschreiben. Stämme gab es schon immer: Die Einwohner einer Kleinstadt waren ein Stamm, alle Leichtathleten in Thüringen bildeten einen Stamm oder die Hamburger SPD-Mitglieder. Bei diesen alten Stämmen spielte die Geografie eine zentrale Rolle.
Das Internet hat diesen Geografiebezug eliminiert. Heute existieren unendlich viele Stämme nebeneinander, große und kleine, horizontale und vertikale. Wir alle sind Mitglied in viel mehr Stämmen als früher: Stämme, mit denen wir gemeinsam arbeiten, reisen, einkaufen. Stämme, mit denen wir über Politik diskutieren, denen wir unsere Fotos zeigen, die dieselbe Musik mögen wie wir oder die uns ihre Kochrezepte verraten. Wir haben immer mehr Werkzeuge zur Verfügung, um die Mitgliedschaft in diesen Stämmen zu organisieren und um uns mit den anderen Mitgliedern zu verbinden: Facebook und Xing, Twitter und Basecamp, E-Mail und Websites.
Alle diese Stämme, so Godins Theorie, suchen Anführer. Und der Anführer, das können Sie sein. Am besten, Sie gründen selbst einen Stamm. Was der Gegenstand sein könnte, das Thema, das Produkt? Da horchen Sie am besten tief in sich hinein und fragen sich, wozu Sie am allermeisten Lust hätten. Was ist Ihre Leidenschaft? Wofür brennen Sie? Genau das sollte Thema Ihres Stammes werden.
• Sie interessieren sich so sehr für Schokolade, dass Sie alles darüber wissen und das Wissen weitergeben wollen? Holger In’tVeld ging es genauso, also gründete er in Berlin den „Schokoladen“, in dem er hochpreisige Kakaoprodukte verkauft. Ein Café hat er ebenfalls eröffnet, eine eigene Schokolade produziert er bereits und an einem Buch zum Thema schreibt er gerade. Früher war In’tVeld Musikjournalist – heute hat er einen Stamm von Schoko-Connaisseuren um sich geschart. Ein Beispiel dafür, dass dieses Denken keineswegs nur mit Online-Geschäftsmodellen funktioniert – allerdings per Definition besser, wie der nächste Fall zeigt.
• Ihre Oma häkelt toll, und Sie hätten ein paar schräge Designideen, die die alte Dame umsetzen könnte? Damit verdient Manfred Schmidt jetzt sein Geld, auf dessen Website „Oma Schmidt’s Masche“ es Topflappen mit Totenkopfmotiv, ungewöhnliche Häkelmützen,
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