0480 - Satan mischt die Karten
»Nein«, flüsterte Marina Brest, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Romana. »Nein, das - das will ich nicht. Das geht zu weit!«
Immer noch blieb der Gehörnte stumm, aber in seiner vorgestreckten Hand schienen die nunmehr sechs Karten zu wachsen und immer größer zu werden, bis sie Marinas Blickfeld völlig einnahmen. 9, 10, Bube, Tod, König! Und dazu Pik-As, die Todeskarte!
»Nein!« schrie die Kartenlegerin abermals auf. »Ich bin keine Mörderin, ich kann es nicht! Ich kann doch diese beiden Menschen nicht töten!«
Zwei Männer, die sie nicht einmal kannte. Sie wußte weder ihre Namen noch ihre Herkunft. Die Karten, die der Gehörnte ihr entgegenhielt, zeigten ihr nur deren Aussehen. Zwei völlig fremde Menschen, und die sollte Marina ermorden!
Die Karten, von Satan gemischt, verlangten es von ihr!
»Warum?« keuchte sie.
Der Gehörnte blieb ihr die Antwort schuldig. Abermals teilte er sich ihr lediglich auf seine eigenartige, lautlose Art mit. Er zeigte ihr jenen Vertrag, der sie band, seit sie sich in die Hand des Teufels gegeben hatte. Und da begriff sie, daß sie morden mußte, wie der Satan es ihr mit den Karten befahl. Tat sie es nicht, würde sie selbst sterben. Aber dieses Sterben würde nicht einfach sein. Es würde lang dauern - eine schmerzvolle, grauenhafte Ewigkeit lang. So verlangte es der Vertrag, wenn sie gegen ihn und das Gehorsamsprinzip verstieß. Und zumindest der Gehörnte würde sich sehr genau daran halten.
Ihr blieb keine andere Wahl.
Sie hatte nie damit gerechnet, daß diese furchtbare Konsequenz eintreten könnte. Aber nun war es geschehen. Und sie konnte nicht mehr zurück. Nie mehr.
»Wer sind diese beiden Männer, die ich ermorden soll?« fragte sie leise. »Der Bube und der König…«
***
Ein schriller Pfiff zerriß die Stille; Licht flammte auf, und unheimlich grell stach es in Marinas weit aufgerissene Augen. Sie saß bolzengerade aufgerichtet im Bett, versuchte durch Schließen der Lider der Lichtflut Herrin zu werden und sah immer noch den Gehörnten vor sich, das Alptraumbild. »Was ist denn los, Orchidee?« hörte sie eine vertraute Stimme neben sich, und eine Hand berührte sanft ihre Schulter. »Wieder ein Traum?«
Sie nickte. Vorsichtig öffnete sie die Lider; sie konnte das Licht jetzt ertragen und fühlte, wie das Alptraumbild blasser wurde und verschwand.
Sie nickte. »Ich verstehe das nicht«, flüsterte sie und lehnte ihren Oberkörper gegen den des Mannes neben ihr. Er legte den Arm um ihre Schultern. »Ich verstehe es nicht«, wiederholte sie. »Immer wieder dieser furchtbare Traum vom Pakt mit dem Teufel. Aber das ist lächerlich. Es gibt keinen Teufel, und ich habe niemals einen Pakt geschlossen.«
»Natürlich hast du einen Pakt geschlossen«, sagte er leise.
Unwillkürlich löste sie sich wieder aus der schützenden Umarmung. Aus großen Augen starrte sie ihn an. »Was sagst du da, Peter?«
Er lächelte.
»Einen Pakt mit mir«, sagte er. »Auf Gedeih und Verderb.« Er hob die Hand mit dem Trauring. Das Gegenstück befand sich an ihrem Finger. »Ein Pakt, bis daß der Tod uns scheidet, nicht wahr?«
Da nickte sie. »Du solltest mich damit aber nicht so erschrecken«, protestierte sie leise.
»Vielleicht solltest du deine Träume einmal analysieren lassen«, schlug er vor. »Sicher gibt es irgend etwas in deinem Unterbewußtsein, was diese Träume erzeugt. Du mußt feststellen, was es ist. Dann werden sie nicht wiederkommen. Was war es denn diesmal?«
»Wie immer«, wich sie aus. Seltsamerweise brachte sie es nicht fertig, ihm von dem Mordauftrag zu erzählen. Dabei hatten sie sich am Tag ihrer Hochzeit versprochen, niemals Geheimnisse voreinander zu haben. Aber da war eine Sperre in ihr, die sie daran hinderte, ihm diesen Traum zu erzählen.
Peter küßte ihre Schulter. »Willst du versuchen, wieder einzuschlafen, oder soll ich dir ein Buch oder etwas zu trinken holen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist schon gut, Peter«, sagte sie. »Ich denke, ich werde wieder schlafen können. Bisher hatte ich ja nie zwei Alpträume in einer Nacht. Aber um eines möchte ich dich bitten - nimm doch demnächst nicht mehr das große Licht. Es ist so grell. Die Nachttischbeleuchtung reicht völlig aus.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich möchte dir helfen, und dann dauert es mir zu lange, nach dem Schalter zu tasten«, sagte er. »Das große Licht geht einfach schneller.« Abermals stieß er einen Pfiff aus, und die helle Deckenbeleuchtung,
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