Medicus 02 - Der Schamane
Ochsen und einen Stahlpflug und stellte zwei der Krieger, Kleines Hörn und Steinhund, ein, damit sie für ihn die Prärie umpflügten. Die Indianer wussten um Geheimnisse, wie man die Ebenen aufbrach und ihr Fleisch und Blut bloßlegte: die schwarze Erde. Bei der Arbeit entschuldigten sie sich beim Boden, weil sie ihn verletzten, und sie sangen Lieder, um die entsprechenden Geister günstig zu stimmen. Sie wussten auch, dass der weiße Mann zu tief pflügte. Als sie die Pflugschar für eine flachere Bearbeitung einstellten, verrottete das Wurzelgeflecht unter der umgepflügten Erde tatsächlich schneller als zuvor, und sie konnten auf diese Weise zwei Morgen pro Tag bearbeiten anstatt eineinhalb. Außerdem bekamen weder Kleines Hörn noch Steinhund die Krätze. Jay staunte über die Ergebnisse und versuchte, die Methode auch seinen Nachbarn nahezubringen, doch er fand nirgends ein offenes Ohr.
»Das ist nur, weil diese ignoranten Arschlöcher mich als Ausländer betrachten, obwohl ich in South Carolina geboren bin, ein paar von denen aber in Europa«, beschwerte er sich erregt bei Rob J. »Die trauen mir nicht. Sie hassen die Iren und die Juden, und die Chinesen, und die Italiener, und Gott weiß wen sonst noch, weil die zu spät nach Amerika gekommen sind. Die Franzosen und die Mormonen hassen sie aus Prinzip. Und die Indianer hassen sie, weil die zu früh in Amerika waren. Zum Teufel, wen mögen sie eigentlich?« Rob lachte. »Aber, Jay... sich selber mögen sie! Sie glauben, dass sie genau richtig sind, nur weil sie zufällig gerade zur rechten Zeit hier angekommen sind«, sagte er.
In Holden’s Crossing war es eine Sache, gemocht zu werden, eine ganz andere aber, akzeptiert zu werden. Rob J. Cole und Jay Geiger wurden widerstrebend akzeptiert, weil ihre Berufe dringend benötigt wurden. Während sie allmählich zu markanten Flecken in der Patchworkdecke der Gemeinde wurden, hielten die beiden Familien eng zusammen und unterstützten und ermutigten sich gegenseitig. Die Kinder wurden vertraut mit den Werken großer Komponisten, und oft lagen sie abends im Bett und lauschten dem wunderbaren Klang der Saiteninstrumente, die ihre Väter mit Liebe und Leidenschaft spielten. Als Shaman fünf Jahre alt war, wüteten im Frühling die Masern. Der unsichtbare Panzer, der Sarah und Rob beschützt hatte, wirkte nicht mehr, und so schwand auch das Glück, das ihnen bis dahin beigestanden hatte. Sarah brachte die Krankheit mit nach Hause und musste einen leichten Anfall durchstehen, Shaman ebenfalls. Rob J.s Ansicht nach hatte jeder Glück, der sich nur geringfügig ansteckte, denn seiner Erfahrung nach bekam man die Masern nur einmal im Leben. Alex allerdings befiel die Krankheit in ihrer ganzen schrecklichen Heftigkeit. Während seine Mutter und sein Bruder nur leicht erhöhte Temperatur hatten, glühte er im Fieber. Während sie nur schwachen Juckreiz spürten, kratzte er sich die Haut blutig. Rob J. wickelte ihn in welke Kohlblätter und musste ihm zu seinem eigenen Besten die Hände fesseln.
Im darauffolgenden Frühjahr war Scharlach die vorherrschende Krankheit. Die Sauks steckten sich an, und auch Makwa-ikwa wurde krank, so dass Sarah missmutig zu Hause bleiben und die Indianerfrau pflegen musste, anstatt als Assistentin mit ihrem Mann mitzureiten. Nach einer Weile steckten sich auch die beiden Jungen an. Diesmal holte Alex sich die leichtere Version, während Shaman glühte, erbrach, vor Ohrenschmerzen schrie und einen so heftigen Ausschlag bekam, dass er sich an vielen Stellen schälte wie eine Schlange. Nachdem die Epidemie abgeklungen war, ließ Sarah die warme Mailuft ins Haus und erklärte, dass die Familie einen Feiertag nötig habe. Sie briet eine Gans, ließ die Geigers wissen, dass sie willkommen seien, und am Abend erklang wieder Musik, nachdem seit Wochen keine mehr zu hören gewesen war.
Die Kinder der Geigers durften auf Feldbetten im Zimmer von Alex und Shaman schlafen. Kurz bevor sie einschliefen, schlüpfte Lillian Geiger ins Zimmer und gab jedem Kind einen Gutenachtkuss. An der Tür blieb sie noch einmal stehen und wünschte ihnen eine gute Nacht. Alex antwortete, und auch ihre eigenen Kinder: Rachel, Davey, Herrn und Cubby, der noch zu jung war, um bei seinem richtigen Namen- Lionel - gerufen zu werden. »Gute Nacht, Rob J.« sagte sie. Doch es kam keine Antwort, und Lillian sah, dass der Junge geradeaus starrte, als wäre er tief in Gedanken versunken.
»Shaman? Mein Lieber?« Als wieder keine
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