Medicus 02 - Der Schamane
das Fieber senkte, versuchte er diesen in einigen Fällen mit Abführmitteln herbeizuführen. Wenn die Patienten Schüttelfrost bekamen, gab er ihnen Makwa-ikwas Pflanzentonikum mit etwas Alkohol versetzt, um sie zum Schwitzen zu bringen, dazu legte er ihnen blasenziehende Senfpflaster auf. Bald nach Ausbruch der Epidemie trafen er und Sarah Thomas Beckermann, der ebenfalls zu Fieberpatienten ritt.
»Mit Sicherheit Typhus«, sagte Beckermann. Rob glaubte das nicht. Es zeigten sich keine roten Flecken am Bauch, und niemand schied blutigen Stuhl aus. Aber er ließ sich auf keinen Disput ein. Was es auch war, was die Leute da befiel, es wurde nicht weniger besorgniserregend, wenn man es mit dem einen oder dem anderen Namen bezeichnete. Beckermann berichtete ihnen, dass am Vortag zwei Patienten trotz ausgedehnten Schröpfens gestorben waren. Rob versuchte, ihm das Schröpfen als Heilmittel gegen Fieber auszureden, aber Beckermann war nicht der Mann, der den Rat des einzigen Kollegen am Ort annahm. So verabschiedeten sie sich schon nach wenigen Minuten wieder. Nichts ärgerte Rob J. mehr als ein schlechter Arzt.
Zunächst war es eigenartig für Rob, Sarah anstelle von Makwa-ikwa bei sich zu haben. Sarah gab sich die allergrößte Mühe und beeilte sich, alles zu tun, was er verlangte. Doch der Unterschied war, dass er die einzelnen Verrichtungen von ihr verlangen und sie ihr beibringen musste, während Makwa wusste, was zu tun war, ohne dass er es sagte. Bei den Patienten oder während des Reitens zwischen den einzelnen Besuchen hatten er und Makwa oft lange geschwiegen, was sie beide als angenehm empfanden. Sarah dagegen, die froh war, bei ihm zu sein, redete und redete, zumindest am Anfang, denn je mehr Patienten sie behandelten und je erschöpfter sie wurden, desto stiller wurde auch sie.
Die Krankheit breitete sich schnell aus. Wenn in einem Haushalt einer erkrankte, steckten sich für gewöhnlich alle anderen Familienmitglieder an. Doch Rob J. und Sarah gingen von Haus zu Haus und infizierten sich nicht, als wären sie von einem unsichtbaren Panzer geschützt. Alle drei oder vier Tage versuchten sie, nach Hause zurückzukehren, um zu baden, die Kleider zu wechseln und ein paar Stunden zu schlafen. Das Haus war warm und sauber und duftete nach den heißen Mahlzeiten, die Makwa für sie kochte. Nur kurz widmeten sie sich ihren Söhnen, dann packten sie das Pflanzentonikum ein, das Makwa während ihrer Abwesenheit gebraut und auf Robs Anweisung hin mit ein wenig Wein vermischt hatte, und ritten wieder hinaus. Zwischen den Abstechern nach Hause schliefen sie zusammengekuschelt, wo sie Platz fanden, meistens in Heuschobern oder auf dem Boden vor dem Kamin eines Patientenhauses.
Eines Morgens kam ein Farmer namens Benjamin Haskell in seine Scheune und bekam Stielaugen, als er den Doktor mit dem Arm unter den Röcken seiner Frau überraschte. Das war ihr einziger Versuch eines ehelichen Verkehrs während der gesamten Dauer der Epidemie, sechs Wochen lang. Die Blätter hatten sich eben verfärbt, als sie begonnen hatte, und an ihrem Ende war der Boden bereits mit Schnee bestäubt.
An dem Tag, als sie heimkehrten und ihnen bewusst wurde, dass sie nicht mehr würden hinausreiten müssen, schickte Sarah die Kinder mit Makwa-ikwa im Buckboard zu Muellers Farm, um Körbe mit Winteräpfeln zum Kompottkochen zu holen. Sie lag lange vor dem Kamin in der Wanne und erhitzte dann neues Wasser für Rob. Als er in dem Blechzuber lag, kam sie zurück und wusch ihn langsam und zärtlich, so wie sie es mit den Patienten gemacht hatte - und doch ganz anders, denn statt eines Lappens benutzte sie ihre bloßen Hände. Dampfend und fröstelnd lief er ihr anschließend durch das kalte Haus nach bis hinauf ins Schlafzimmer, wo sie unter der warmen Decke blieben, bis Stunden später Makwa mit Rob und Alex zurückkehrte. Einige Monate später war Sarah wiederum schwanger, doch sie erlitt sehr früh eine Fehlgeburt, und Rob bekam es mit der Angst, da sie dabei äußerst heftig blutete. Er erkannte, dass es für seine Frau gefährlich werden würde, wenn sie noch einmal empfing, und traf von da an seine Vorkehrungen. Besorgt beobachtete er sie, ob sich nicht dunkle Schatten über ihr Gesicht legten, wie es bei Frauen nach einer Fehlgeburt oft der Fall war. Doch abgesehen von einer gewissen Blässe und Phasen der Nachdenklichkeit in denen sie mit geschlossenen Augen still dasaß, schien sie sich so schnell zu erholen, wie er nur hoffen
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