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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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verstanden. Die Gefahr, dass sie sich von verbrecherischen Elementen aus den Gassen Konstantinopels bestechen ließen und für ein paar Silberstücke wertvolle Hinweise an Diebe und Einbrechergesindel herausgaben, sei dann viel geringer. So hatte zumindest die Ansicht des alten Luca di Lorenzo gelautet. Natürlich lernten auch diese Männer, die zumeist von Davide angeheuert worden waren, irgendwann die Sprache, die in dieser Stadt am meisten gesprochen wurde und sich auch als Amtssprache durchgesetzt hatte – zumal inzwischen der Hass auf die sogenannten Lateiner, worunter man sämtliche Angehörige der römischen Kirche ebenso zusammenfasste wie alle Sprecher einer der inzwischen recht zahlreich gewordenen lateinischen Mundarten, stark zugenommen hatte.
    Der Wagen hielt nicht vor dem Hauptgebäude, sondern vor einem der Nebenhäuser. Davide stieg aus, und Marco wollte ihm folgen. Aber Maria hielt ihn zurück. »Ich bitte dich, tu, was Davide verlangt, und lass dich von diesem Cagliari untersuchen! Du wirst sonst nur Misstrauen säen, und womöglich werden sich selbst unsere Angestellten vor dir fürchten, weil sie glauben, dass auch du den Keim des Bösen in dir trägst!«
    »Ach, Schwester, ist das alles nicht furchtbar gleichgültig? Was spielt es schon für eine Rolle, was mit dem Handelshaus di Lorenzo oder sogar mit dieser Stadt wird? Wir sind doch alle nur Sandkörner, die durch übermächtige Hände rieseln, ohne sich dagegen wehren zu können. Wir haben geglaubt, dass es die Hände Gottes sind, die das tun, aber vielleicht sind es nur die Hände achtlos spielender Kinder, die überhaupt nichts mit der Welt im Sinn haben, außer dass sie sie auf eine Weise verändern, die ihnen Abwechslung und Erlösung aus ihrer Langeweile verspricht.«
    »Ich hoffe, dass du das nie einen Mann der Kirche hören lässt – ganz gleich, welcher Kirche übrigens!«, gab Maria zurück. »Im Übrigen geht es hier zur Abwechslung um die kleinen praktischen Dinge des Lebens und nicht um die Frage, wann der Jüngste Tag anbrechen wird und welche Kräfte die Welt in ihrem Innersten bewegen. Tu einfach, was jetzt notwendig ist! Tu es im ehrenden Gedenken an deine Eltern!«
    Marco lachte heiser auf, und Maria erschrak, als sie die Bitterkeit wahrnahm, die aus dem Tonfall ihres Bruders überdeutlich herauszuhören war.
    »Hat Vater etwa jemals auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet, was wirklich wichtig ist im Leben? All das, was ihm wesentlich erschien – war es nicht nur hohler Tand? Was davon konnten sie denn letzlich mitnehmen, als die Pestknechte sie in die Dunkelheit ihres Grabes hinabließen?« Er schüttelte energisch den Kopf und gab die Antwort selbst. »Nichts, Maria! Gar nichts!«
    »Dann tu es einfach, weil ich dich darum bitte, Marco«, erwiderte sie mit großem Nachdruck.
    Ihre Blicke begegneten sich. Der flackernde Schein einer Laterne, die vor dem Eingang des Nebengebäudes brannte, spiegelte sich in seinen Augen, sodass es Maria vorkam, als wären sie von einem beinahe dämonischen Glanz erfüllt. Marco atmete tief durch. »Also gut«, sagte er schließlich. »Ich tu dir diesen Gefallen.«

Zweites Kapitel

    Fausto Cagliari
    Maria betrat wenig später einen von unzähligen Kerzen erleuchteten Raum. Stark riechendes Räucherwerk machte das Atmen schwer. Sie fühlte ein Kratzen im Hals und wie ihr Herz heftiger zu schlagen anfing.
    Auf einem hölzernen Stuhl hatte eine Gestalt Platz genommen, deren Anblick Maria zusammenfahren ließ. Auf den ersten Blick wirkte ihr Gegenüber wie eine Kreatur, die geradewegs dem Höllenschlund entwachsen war oder sich ebenso im Schlamm der unterirdischen Abwasserkanäle der Stadt gebildet hatte, wie man es den Ratten nachsagte; die waren viel zu zahlreich geworden, als dass sie einem natürlichen Zyklus von Geburt, Vermehrung und Tod folgten. Nein, andere Mächte mussten es sein, die sie aus dem Schlamm der Erde entstehen ließen und in erschreckenden Massen an die Oberfläche trieben! Flackernde Schatten tanzten auf der an ein vogelähnliches Wesen gemahnenden Schnabelmaske nach Art der Pestknechte. Dumpf mischte sich der Atem ihres Trägers mit dem Knistern des verbrennenden Räucherwerks, dessen freigesetzter Rauch Maria inzwischen Tränen in die Augen trieb. Der Körper jener Gestalt auf dem Stuhl war vollkommen von einer ledernen Kluft verhüllt, die wie die runzelige Haut eines urtümlichen Krokodils wirkte, wie es sie am Nil gab. Maria hatte ihren Vater einmal auf

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