Medinas Fluch
Feuerzeug würde nicht den Geist aufgeben. Aber die Hoffnung währte nur kurz, denn ehe sie noch den Gedanken zu Ende gedacht hatte, erlosch es. Mehrmals hintereinander versuchte sie, es wieder anzubekommen, aber keine Chance. Kaum hatte sie sich damit abgefunden, fiel ihr die Dunkelheit auf, die sie nun umhüllte und damit schwappte die Panik endgültig über Medina, nistete sich ein in jede Faser ihres Körpers und schnürte ihr die Brust zu.
Es war so dunkel, dass sie ihre Hände nicht mehr vor Augen sehen konnte und die Orientierung komplett verloren hatte. Sie hörte ein Flüstern, allerdings vermutete sie es im ersten Moment, dass es ihrer Panik entsprang, pure Einbildung war. Aber als das Wispern lauter wurde und Medina auch noch einen kühlen Luftzug am Arm spürte, bekam sie Gänsehaut. Nicht wegen der plötzlichen Kälte, sondern weil ihre Angst fast unerträglich wurde. Und dann spürte sie etwas durch ihre Haare greifen. Schreiend stolperte sie im Keller umher. Das wenige Licht, das durch die Tür kam, reichte nicht bis dorthin, wo sie sich befand. Es war ein Albtraum, aus dem sie nicht erwachen konnte, weil sie nicht schlief. Als sie auch noch über irgendetwas fiel und sich den Fuß verknackste, schrie sie aus vollem Hals. Tränen liefen ihr über das Gesicht und für einen kurzen Moment sah sie wieder die Szene mit Grandma, die sich schützend vor ihre beiden Enkel gestellt hatte. Doch wer sollte sie hören? Alex war mit Ruth aus dem Haus gegangen. Vermutlich hatte sie ihm Eistee serviert und sie saßen bei ihr auf der Veranda.
Medina holte tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen. Was soll hier bitte schon sein? War sie nicht bisher mit allem alleine fertig geworden? Stöhnend stand sie auf und humpelte mit nach vorne gereckten Armen durch den Keller, in der Hoffnung, sie würde gleich die Wand berühren.
„Endlich, Med“, kam es deutlich aus der Dunkelheit. Med? So hatte Ross sie immer genannt und schon damals hätte sie jedes Mal aus der Haut fahren können, wenn er sie so rief. Blind tapste sie nach vorne, fing an sich zu drehen.
„Was soll die Scheiße?“, rief sie mutiger, als sie sich fühlte.
„Jetzt reg dich nicht gleich wieder auf, Schwesterherz“, sagte die Stimme amüsiert. Medina erstarrte.
5.
Tatsächlich saß Alex mit Ruth auf ihrer Veranda. Nur tranken sie keinen Eistee, sondern Bier aus der Dose. Eigentlich hatte Alex keine Lust, mit der schrulligen Frau zu sprechen. Daher schaltete er sein Handy an und amüsierte sich über die 36 Anrufe in Abwesenheit, alle von seinem Dad. Die Kurznachrichten sahen nicht besser aus, denn offensichtlich hatte Dad keine andere Möglichkeit mehr gesehen. Sie fingen mit „Wo zum Teufel steckst du“ an, bis zum bittenden „Alex, melde dich, wir machen uns Sorgen“.
Erst fand Alex das hier alles sehr aufregend und lustig und wollte seinen Dad damit provozieren, aber schließlich bekam er doch Gewissensbisse, stand auf und ging in den Garten, wo er ungestört telefonieren konnte.
„Dad, ich bin’s, Alex.“
„Junge, wo steckst du? Ich mache mir Sorgen und habe alle Krankenhäuser abgeklappert.“
Nein, Dad, nicht alle, dachte er.
„Alles okay, Dad. Ich musste einer Freundin aus der Patsche helfen und bin in LA. Bitte gib mir ein paar Tage frei, ihr geht es wirklich nicht gut.“
„Wer ist deine Freundin?“
War ja klar, dass er das fragen würde.
„Du kennst sie nicht. Ich habe sie zufällig wiedergetroffen. Sie muss ein paar Dinge klären, bei denen ich ihr helfe.“
„Alex, denk bitte an den Majestro-Deal. Wir müssen in zwei Wochen nach Italien und die Präsentation ist noch nicht vorbereitet …“
Dad, dieser beschissene Deal interessiert mich einen Dreck, dachte er , antwortete aber brav: „Ja, Dad, selbstverständlich, Dad. Ich melde mich wieder, okay?“ Genervt legte er auf und schlenderte wieder zu Ruth, die ihn keines Blickes würdigte. Selbst die schrullige Alte behandelt mich wie Luft , ging es ihm durch den Kopf.
„Alles okay?“, fragte sie dann doch unvermutet.
„Jaja, alles bestens“, erwiderte er knapp und wandte sich wieder seinem Handy zu. Wohl wissend, dass er unhöflich war, aber war sie das nicht auch? Sogleich bekam er ein schlechtes Gewissen und packte es weg.
„Na ja, eigentlich macht sich mein Dad ziemlich Sorgen“, sagte er. „Ich bin einfach so gegangen, ohne Nachricht. Dabei kenne ich Medina erst seit gestern Nacht.“
Ruth stimmte ihm mit einem Nicken abwesend zu. „Weißt du, ich
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