Medinas Fluch
Unfallort führte. Dort stellte sie sich an den Bordstein, hielt den Daumen hoch und wartete. Es dauerte nicht lange, als neben ihr ein Wagen stoppte und sich das Fenster öffnete.
„Sie wissen schon, dass trampen gefährlich ist, junge Lady? Wo wollen Sie denn hin?", rief ihr ein Mann mittleren Alters zu.
Medina fand ihn vertrauenswürdig, da er tatsächlich sorgenvoll klang. Und wenn nicht, wüsste sie sich zu wehren.
„Zur Wedemeyer Street. Ich habe dort gestern mein Handy verloren und wollte noch mal nachsehen.“
„Um die Uhrzeit? Da kann man doch nichts mehr sehen. Na gut, meinetwegen. Steigen Sie ein, ich muss sowieso in die Richtung.“
Sie sprachen nicht während der Fahrt, worüber Medina ganz froh war. Sie hatte keine Lust auf nette Konversation. Zehn Minuten später stand sie auch schon auf der besagten Straße und wusste nicht, was sie eigentlich hier zu suchen hatte. Als ob jetzt noch irgendwo Spuren zu sehen wären . Jetzt fand sie ihre Idee nur noch lächerlich, schlang die Arme um ihren Körper und hatte immer noch Kopfschmerzen. Ermattet setzte sie sich einfach auf den Randstein und starrte in die Dunkelheit.
Der Blitz ‒ zumindest fühlte es sich so an ‒ schoss mit einem Schlag durch ihren Kopf und schien ihre Gedanken aufzuwirbeln. Automatisch schloss Medina die Augen, der Schmerz füllte ihren Kopf aus, war kaum mehr auszuhalten. Es begann eine Szene vor ihren Augen abzulaufen. Immer und immer wieder. Wie ihre Großmutter sie und ihren Bruder in die Ecke des Schlafzimmers schob und sich schützend vor sie stellte. Sie sprach mit jemandem. Medina versuchte, hinter ihr hervorzulugen, aber Oma schob sie wieder hinter ihren Rücken.
Dann hörte der Schmerz so plötzlich auf wie er gekommen war und Medina öffnete ihre Augen. Sie wusste jetzt, was sie tun musste. Sie musste zurück! Zurück zu dem Ort, an den sie sich seit zwölf Jahren nicht zu erinnern vermochte.
3.
Als sich Medina zurück in ihr Krankenzimmer schleichen wollte, sah sie Alexander mit mehreren Schwestern im Gang stehen. Er gestikulierte mit den Händen. Medina konnte ihn nicht hören, deshalb straffte sie sich und ging näher. Den Plan, ungesehen zurück ins Bett zu kriechen, musste sie aufgeben.
„Was ist los?", fragte sie, als sie hinter ihm stand.
Er wirbelte herum.
„Miss Thompson. Da sind Sie ja. Wir haben Sie überall gesucht!“, rief er und seine Miene hellte sich auf.
Verwundert sah sie an ihn.
„Ja, ja, wo sollte ich schon sein? Ich brauche eine Schmerztablette, meine Kopfschmerzen bringen mich bald um!“ Medina wandte sich mit einem Augenaufschlag an die kleine Krankenschwester von vorhin. Die gab ihr ein Schälchen mit zwei Tabletten und ein Glas Wasser.
„Ich hatte sie bereits vorbereitet, aber dann waren Sie plötzlich weg“, Ihre Stimme klang vorwurfsvoll.
Medina zuckte nur gleichgültig mit den Achseln und spazierte zurück in ihr Zimmer. An der Tür hielt sie noch einmal kurz an und blickte Alexander bittend an. „Kommen Sie mit?“
Er nickte und folgte ihr. Medina zog sich aus und stieg wieder in ihr Bett. Sie schluckte die Tabletten und deckte sich zu.
„Ich wollte Sie um Hilfe bitten, Mr. …, eh, wie heißen Sie noch gleich?“
„Bacera. Sie können aber auch Alex zu mir sagen.“
„Gut, Alex. Könnten Sie mich morgen zum Haus meiner Großmutter fahren? Ich kann mir die Reparatur meines Wagens nicht leisten“, gestand sie kleinlaut und gähnte.
Er lächelte freundlich. „Ja natürlich. Kein Problem“, versicherte er ihr.
„Vielen Dank.“ Sie lächelte zurück und kuschelte sich in die Decke. Kurz darauf war sie eingeschlafen.
***
Alex blieb bei ihr sitzen und betrachtete sie. Vom ersten Augenblick hatte sie ihn fasziniert. Sie war wild und anziehend. Normalerweise umgab er sich nicht mit diesem Typ Frauen. Was würde Dad wohl zu ihr sagen? Bei dem Gedanken musste Alex grinsen. Sein Dad war Investmentbanker und hatte noch einiges mit ihm vor. Sein komplettes Leben war von ihm vorbestimmt. Welcher Kindergarten, High School, College und … welche Freunde er haben sollte. Das bezog die Frauen natürlich mit ein. Im Moment war Dads Favoritin Mandy, die Tochter seines Partners. Alex musste zugeben, sie war hübsch und clever dazu, aber so langweilig wie ein abgestandenes Bier. Wollte er etwa mit seinen 28 Jahren rebellieren? Alex verstand sich selbst nicht. Wieso saß er überhaupt hier? Was genau fand er an Medina so faszinierend? Vielleicht weil sie genau das Gegenteil
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