Medinas Fluch
in Medinas Augen. Wieder ein Nicken. Zuletzt steckte sie ihr den Fiebermesser ins Ohr, nahm das Klemmbrett vom Fußende des Bettes und trug die Werte ein. Als sie sich umdrehte, ergriff Medina ihren Arm.
„Warten Sie“, flüsterte sie. „Was …, was ist mit dem anderen Opfer? Geht es ihm gut?“ Ihre Augen schimmerten feucht, während sie die Frage stellte. Die Schwester drehte sich zu ihr um und blickte sie verständnislos an.
„Wen meinen Sie?“
Medinas Gedanken schlugen Purzelbäume. Sie will mich schonen, dachte sie panisch. All ihren Mut zusammennehmend, sagte sie: „Den ich angefahren habe.“ Ihr Herz schlug hart.
„Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen. Sie haben niemanden angefahren. Der junge Mann, der die ganze Zeit draußen sitzt, hat Sie hierhergebracht. Ich dachte, Sie brauchen noch Ruhe, deshalb habe ich ihn noch nicht zu Ihnen gelassen …“ Weiter kam sie nicht, da Medina sie unsanft unterbrach.
„Was soll das heißen? Da muss jemand gewesen sein! Ich habe etwas gesehen und meine Windschutzscheibe ist ja wohl nicht einfach so zerbrochen, oder? Verfluchte Scheiße, Sie können mir jetzt sagen, was passiert ist. Ich erfahre es sowieso, wenn die Cops nach dem Unfall fragen.“
Die junge Schwester zog erstaunt die Augenbraue hoch, wohl aufgrund der Wortwahl, schüttelte nur sanft den Kopf und verließ das Zimmer.
„Was soll das denn jetzt? Kriegt man das so beigebracht auf eurer dämlichen Schwesternschule?“ Dann verstummte sie, weil der Mann, der sie aus dem Auto geholt hatte, eintrat.
„Alles in Ordnung mit Ihnen, Miss Thompson? Darf ich näher kommen?“, fragte er und runzelte besorgt die Stirn. Seine Stimme klang genauso sanft wie sie sie in Erinnerung hatte.
„Von mir aus“, seufzte Medina und musterte ihn verstohlen. Was ist das denn für ’n Versager , dachte sie. Sein Haar war glatt gekämmt, ohne Sinn für einen modischen Schnitt. Es war dunkel und schimmerte leicht, seine Augen waren langweilig braun, die Gesichtszüge weich, ohne jegliche Ecken und Kanten. Überhaupt war er total spießig angezogen mit seiner grauen Cordhose, dem Sweatshirt und den hellen Lederschuhen. Wieso geht er nicht heim zu seiner Frau, dachte Medina und prüfte schnell seine Ringfinger, die leer waren. Kein Wunder, wer will den schon, ging es ihr gehässig durch den Kopf. Suchend blickte er sich um, bis er einen Stuhl neben dem Schrank fand, ihn heranzog und sich darauf setzte.
„Mein Name ist Alexander Bacero. Ich habe mir Sorgen gemacht und bin mit dem Krankenwagen mitgefahren. Die Ärzte dürfen mir nichts sagen, also wollte ich warten, bis ich zu Ihnen darf.“
Ja klar , dachte sie. Willst mich wohl flachlegen, schoss es ihr durch den Kopf. „Jaja, mir geht’s gut. Man will mir nur nicht sagen, was mit dem anderen ist.“
Verwundert sah er sie an. „Mit wem?“, fragte er.
„Sagen Sie bloß, Sie spielen mit? So schwer hat es mich jetzt auch nicht erwischt“, fauchte sie ihn an. Medina spürte nun wieder die Schmerzen im Kopf und wurde auf einmal müde.
„Miss Thompson, da war niemand. Nur Sie. Ich versichere Ihnen …“
Medina schloss die Augen, er verstummte. Sie wartete einige Minuten und öffnete sie wieder. Mist , wann würde endlich das Schmerzmittel kommen! Ihr Kopf dröhnte schlimmer als zuvor. Dennoch wollte sie auf der Stelle selbst überprüfen, ob sie jemanden überfahren hatte! Sie kroch aus dem Bett, schwankte einen Augenblick.
„Bleiben Sie besser liegen, Miss Thompson“, sagte Alexander und sprang auf. Über einem weiteren Stuhl am Fenster waren Medinas Klamotten drapiert, sie schlurfte darauf zu, zog das Klinikhemd aus und schlüpfte in ihre Jeansshorts, T-Shirt und Boots. Slip und BH fehlten, denn sie trug so gut wie nie Unterwäsche.
„Aber Miss Thompson!“, protestierte ihr Retter, als sie ohne ein Wort zur Tür ging und sie vorsichtig öffnete.
„Ruhe“, zischte sie Alexander an. Der Flur war leer und nur schwach beleuchtet. Ein Blick auf die Uhr an der Wand bestätigte ihr, dass es nachts war. Genauer genommen 1:15 Uhr. Glücklicherweise lag ihr Zimmer weit am Ende nahe dem Treppenhaus.
„Bin gleich zurück, bleiben Sie still“, ermahnte sie den Kerl und schlüpfte aus dem Zimmer, um mit wenigen Schritten die Stufen nach unten zu gelangen.
Nach wenigen Augenblicken hatte sie sich orientiert und wusste, wo sie war. Also ging sie die Straße weiter bis zu einer Hauptstraße, die auch um diese Uhrzeit gut befahren war und in Richtung
Weitere Kostenlose Bücher