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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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blauen Kleid zu erinnern, wie sie mitten im Regen gestanden hatte.
    Griff seufzte. »Ich muss jetzt gehen.«
    Er zögerte, als würde er darauf warten, dass sie noch etwas sagte.
    Lucy beugte den Kopf und studierte ihre im Schoß gefalteten Hände, als hätte sie sie noch nie zuvor gesehen. Als würden sie zu jemand anderem gehören.
    Vielleicht war es ja so. Sie biss sich auf die Lippen.
    Roth stand auf.
    »Bleib«, befahl Griff. »Ich will keinen von euch in der Nähe der Halle sehen, während die Gesandtschaft hier ist.«
    Die Gesandtschaft.
    Frostiges Schweigen senkte sich über den kleinen Innenhof, und auch der murmelnde, funkelnde Brunnen machte es nicht leichter. Lucys innere Ruhe verflüchtigte sich. Sie hatte vergessen, dass die Dämonen kamen.
    Vielleicht hatte sie es vergessen wollen. Es war ja nicht so, dass irgendjemand sie gebeten hätte, den Dämonen gegenüberzutreten.
    Gott sei Dank.
    Roth teilte diese sehr gesunde Einstellung offenbar nicht. »Ich kann mich beherrschen.«
    »Du kannst Gau nicht beherrschen«, widersprach Griff. »Die Dämonen kommen hierher, um ihre Stärke zu demonstrieren. Wir werden ihnen bei dieser Gelegenheit sicher nicht unsere Jüngsten und Schwächsten vorführen.«
    »Aber wir haben Frieden«, protestierte Iestyn.
    »Im Augenblick«, erwiderte der Burgvogt grimmig. »Was sie nicht davon abgehalten hat, unsere Gwyneth zu ermorden.«
    Lucy hielt den Atem an. Conn hatte gesagt, dass Selkies getötet werden konnten, aber …
    »Ermorden?«
Ihre Stimme war laut. Sie biss sich erneut auf die Lippen, aus Verlegenheit und weil sie es eigentlich gar nicht wirklich wissen wollte.
    Griff bedachte sie mit einem weiteren prüfenden Blick. »Diesen Sommer. Auf Ihrer Insel, World’s End. Ich dachte, Ihr Bruder hätte es Ihnen erzählt, da er doch damit zu tun hatte.«
    »Nein.« Sie fühlte sich wie betäubt, während sie diesen neuerlichen Schock verdaute. Sie wusste natürlich von dem Fall. Er war überall in den Nachrichten gewesen, überall auf der Insel. Eine nicht identifizierte Touristin von auswärts war gefoltert, umgebracht und einfach am Strand abgeladen worden.
    Keine Touristin, begriff sie nun. Ihr wurde schlecht.
    Eine Selkie.
    Und ihr Bruder hatte es gewusst.
    »Dylan und ich hatten vor Calebs Hochzeit noch nie miteinander gesprochen«, sagte sie.
    Griff nickte. »Caleb. Ich meinte ihn. Er und Margred haben den Dämon bezwungen.«
    »Caleb?« Die Betroffenheit verwandelte sie in einen Papagei, der alles nachplapperte.
    »Aye. Er hat seine Sache gut gemacht, dafür, dass er ein Mensch ist und Margred ihr Fell verloren hatte.«
    Ihr Verstand mühte sich, die Tatsache zu verarbeiten, dass ihre Familie in diesem Sommer, während sie selbst Unterrichtsstunden vorbereitet und im Restaurant bedient und in ihrem Garten gearbeitet hatte, offenbar eine ganze Staffel
Buffy
nachgespielt hatte. Sie wollte nach Hause. Und sie fragte sich, ob das Zuhause, das sie vermisste, und die Familie, die sie zu kennen geglaubt hatte, überhaupt außerhalb ihrer Einbildung existierten. »Was heißt ›verloren‹?«
    Griff zuckte die Achseln. »Weg. Zerstört. Der Dämon, der Gwyneth getötet hat, hat auch Margreds Fell verbrannt.«
    Lucy versuchte, seine Worte mit dem Fell am Fußende ihres Bettes in Einklang zu bringen, mit ihren Erinnerungen an ihre Schwägerin. Sie rief sich das Bild der blutverschmierten und benommenen Maggie ins Gedächtnis, in jener Nacht, als Caleb sie mit nach Hause gebracht hatte. Aber überstrahlt wurde dieses Bild von jener Maggie, die Caleb am Tag ihrer Hochzeit angelächelt hatte. Welches Bild war real? Welches Bild stimmte?
    »Und was passiert …« Es schnürte ihr die Kehle zu. Conns schroffes Gesicht suchte sie wieder heim. Seine heftige Anklage echote durch ihre Erinnerung.
»Ich bin eher dein Gefangener als du meiner.«
Sie befeuchtete ihre Lippen. »Was hat es zu bedeuten, wenn ein Selkie sein Fell verliert?«
    »Er kann sich nicht mehr verwandeln«, erwiderte Iestyn.
    Lucy blinzelte. »Und das ist alles?«
    »Das ist die ganze wahnwitzige Wahrheit«, bestätigte Roth.
    »Fragen Sie meinen Herrn, was es zu bedeuten hat«, sagte Griff. »Und halten Sie sich von der Halle fern.«
    Bevor sie eine weitere Frage stellen konnte, hatte er sich durch einen anderen Torbogen in einen zweiten Innenhof gewandt, wo der Rasen einem Pflaster aus Kopfsteinen wich. Für einen so großen Mann bewegte er sich leichtfüßig. Selbst auf den Steinen verursachte er kaum ein

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