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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Reich
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Der rote Mond war aufgegangen.
     
    *
     
    Ich bewegte mich langsam durch die Straßen einer verlassenen Stadt. Der Asphalt unter meinen Füßen knirschte vor Staub und Dreck. Zu allen Seiten wuchsen Bürogebäude und Wohnsilos bis in den Himmel. Ihre Fenster waren trübe Spiegel in der Nacht, die nichts zu reflektieren vermochten. Sie grinsten mich an wie die toten Augen eines Raubtiers. Ein freudloses Grinsen mit gebleckten Zähnen. Manche waren eingeschlagen, und dahinter loderten Feuer. Die Flammen züngelten nur, knisterten aber nicht. Wie eine laterna magica. Vorsichtig näherte ich mich ihnen, aber so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte mein Gesicht nicht im blanken Glas erkennen. Ich führte meine zitternden Hände vor die Augen, unterzog ihre Beschaffenheit einer längeren Betrachtung, als könnten sie mir Aufschluss geben. Doch sie blieben stumm.
Die fahlen Gerippe abgestorbener Bäume kündeten von einem Park. Der große Moloch seufzte für einen kurzen Augenblick und verfiel wieder in seinen dunklen Dornröschenschlaf. Ich bewegte mich zielstrebig auf diesen Park zu. Ich glaubte nicht aus freien Stücken. Vielmehr glich es einer magischen Anziehung. So wie man einen Unfall ahnte, der gleich passieren wird, und seinen Kopf drehte. Dann sah ich den Jungen. Völlig allein auf einem Skateboard. Das strähnige blonde Haar hing ihm in die Augen. Dann warf er es mit einer schwungvollen Bewegung zurück, und ich konnte sein Gesicht sehen. Obwohl er nicht älter als fünfzehn Jahre sein konnte, wirkten seine Züge reifer. Wie die eines Menschen, der früh erkennen musste, dass seine Illusionen nichts wert waren. Auf dem das Leben herumgetrampelt hatte.
    Ich wusste, dass der Junge eine entscheidende Rolle spielte. Ob ihm das bewusst war? Ich wollte auf ihn zurennen, doch die Luft wurde dicker, als wollte sie mich mit süßem Honig festkleben. Also schrie ich aus vollen Leibeskräften, aber niemand konnte mich hören.
    Mülltonnen fielen um. Raschelnd schoben sich dunkle  Schatten heraus, gurrend, knarrend, stinkend. Das waren die eigentlichen Einwohner, die ich zuerst vermisst hatte. Nun wäre es mir lieber gewesen, ich hätte sie nie zu Gesicht bekommen. Ich sah, wie die Schatten mir entgegen krochen. Panisch drehte ich mich um, als sich weitere Schemen aus den toten Büschen wanden. Sie umkreisten mich. Während ich die Hände flach vor die Augen schlug, meinen Atem stoßweise in den Handflächen, konzentrierte ich mich auf den Gedanken, dass sie ganz sicher verschwunden wären, wenn ich die Augen öffnete.
    Ich schlug die Augen auf.
     
    *
     
    Als ich aufwachte, fand ich mich in einem weißen Raum ohne Fenster wieder. Ich wusste nicht, wie ich hierher gekommen war, noch meinen Namen. Mein Gedächtnis war so leer wie dieser Raum. Ich schlug die Bettdecke zur Seite und versuchte, die Dimensionen meiner Heimstatt zu untersuchen. Neben dem bereits erwähnten Bett besaß ich einen Stuhl, einen Tisch, und einen Kleiderschrank. Weiß lackiert. Im Schrank hingen weiße Hosen aus derbem Baumwollstoff, sowie dazu passende Hemden. In der Schublade fand ich weiße Socken und Unterhosen.
    Ich begann die Wände abzuschreiten. Ich schätzte die Weite meiner Schritte und kam auf ein ungefähres Raummaß von fünf mal fünf Metern. Ein Zollstock hätte mir das bestätigt, was ich insgeheim schon wusste: Der Raum war absolut quadratisch. Ich fand zwei Türen, von der die eine nur durch die dünne Linie, die die glatte Wand unterbrach, zu erkennen war. Sie hatte keinen Griff. Zu ihrer Rechten hing ein kleiner Kasten an der Wand, der eine milchige Platte in der Mitte trug. Als ich neugierig mit der Hand darüber fuhr, ging ein trübes Leuchten durch das Glas.
    „ Fingerabdruck  nicht erkannt. Zugang verweigert.“
    Was aber auch hieß, dass der richtige Fingerabdruck nach draußen führte. Und dass der Kasten anderen Menschen diente. Ich war nicht alleine. Ich suchte mit den Augen die Decke ab, und fand auch Zeichen für sie. Eine Kamera, die sich mit meinen Bewegungen drehte. An ihrem Schaft blinkte ein rotes Lämpchen. Möglicherweise ein Modell mit Bewegungssensor.
    Die andere Tür hatte einen normalen Griff. Als ich ihn drückte, wurde ich enttäuscht. Kein Tor zur Freiheit, sondern mein Badezimmer. Auf der Ablage über dem Waschbecken standen neutrale weiße Plastikflaschen. Keine Werbebildchen, kein Firmenaufdruck. Auf einer stand Shampoo. Auf der anderen Duschgel. Eine Plastiktube mit der Aufschrift Zahnpasta. Ich

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