Meg Finn und die Liste der vier Wünsche
Weisheiten. Ihre Hand schwebte über dem Knauf einer alten Anrichte. Öffne sie, befahl sie sich. Öffne sie und steh zu den Folgen. Ihre Finger zitterten, starr vor Angst und Scham. Auf den Regalbrettern waren alte Fotos aufgereiht. Vergilbte Augen blickten sie durch das trübe Glas böse an. Es war zwecklos. Meg Finn war vielleicht verwegen, aber verdorben war sie nicht.
Belch schob sie zur Seite. »Feigling«, murmelte er voller Abscheu.
In diesem Moment ging das Licht an. Auf der Treppe stand der grauhaarige Lowrie McCall, eine alte Schrotflinte in der Hand. Offensichtlich war er nicht so taub, wie Belch gedacht hatte.
»Was macht ihr da?«, krächzte er mit verschlafener Stimme. Wirklich eine blöde Frage. Zwei Eindringlinge, mitten in der Nacht, die Finger in seinen Schubladen. Was sie da wohl taten?
Lowrie spannte mit dem Daumen die altertümliche Flinte. »Nun? Ich hab euch was gefragt.«
Belch rülpste beiläufig. Sein Markenzeichen, wenn es brenzlig wurde. »Wir räumen dir die Bude aus, Grufti. Was dachtest du denn?«
Mit finsterer Miene stieg der alte Mann die Treppe herunter. »Tja, Fettwanst, genau das. Und jetzt nimm die Pfoten aus meinem Schrank, sonst verpass ich deinem Pickelgesicht ein paar Luftlöcher.«
Meg blinzelte. Das war ja wie im Fernsehen. Wie in einer dieser amerikanischen Polizeiserien, wo alle Pferdeschwänze trugen. Wenn es nach dem Drehbuch ging, würde Belch jetzt etwas Idiotisches tun, und der alte Knacker wäre gezwungen, sie beide zu erschießen.
Doch es kam anders, ganz anders. Raptor erkannte den Feind und stürzte sich auf eins der nackten Beine, die unter dem Saum des Bademantels hervorlugten.
Der Pitbull riss den Kiefer auf, bis die Gelenke krachten, und verbiss sich in Lowrie McCalls Wade. Der alte Mann heulte auf und schlug mit dem hölzernen Schaft des Gewehrs auf den Hund ein. Aber er hätte genauso gut auf einen Betonblock eindreschen können. Hatte Raptor sich einmal festgebissen, ließ er nicht mehr los, bis Belch ihm den Befehl gab – oder das Opfer tot war.
Meg hüpfte entsetzt auf und ab. »Belch! Sag ihm, dass er loslassen soll! Schnell!«
»Immer mit der Ruhe. Der Alte hat ’ne Lektion verdient, schließlich hat er mich mit ’ner Waffe bedroht.«
»Sag Raptor, er soll ihn loslassen!«, schrie Meg und entriss Lowrie McCall die Flinte.
Erstaunt sah Belch sie an. Die blöde Meg Finn weinte! Heulte rum wie ’ne kleine Elfe. Und hatte die Waffe auf Raptor gerichtet!
»Jetzt mach mal halblang, Finn!« Das war ja fast zum Lachen. Hatte sie denn gar keine Ahnung von Schrotflinten?
»Ruf ihn zurück! Ich warne dich.«
Belch sprach langsam, wie mit einem kleinen Kind. »Das ist eine Schrotflinte, du dumme Nuss. Wenn du von da aus schießt, nietest du den alten Knacker gleich mit um.«
Meg zögerte einen Moment. »Ist mir egal. Dann hat er wenigstens einen schnellen Tod. Ich zähle bis drei, Brennan. Bis fünf hast du ja noch nicht gelernt.«
Belch grübelte. Er war es nicht gewohnt, so schnell zu denken.
»Eins …«
Würde sie es wirklich tun? Nein, bestimmt nicht. Dazu war sie nicht taff genug.
»Zwei …«
Andererseits, nach dem, was sie ihrem Stiefvater Franco angetan hatte … Und schließlich war sie ein Mädchen. Bei Frauen konnte man nie wissen.
»Dr–«
»Schon gut! Schon gut!« Lieber kein Risiko eingehen. Rächen konnte er sich immer noch. »Raptor! Bei Fuß, alter Junge.«
Der Hund knurrte, unwillig, die zappelnde Beute loszulassen.
»ICH SAGTE, BEI FUSS!«
Eingeschüchtert spuckte der Pitbull aus, was von Lowrie McCalls Wade übrig geblieben war, und trottete zu seinem Herrchen.
Meg lief zu dem alten Mann. Er lag schwach zuckend am Boden, und aus der offenen Wunde lief das Blut. Mitten in all dem Rot leuchtete etwas Helles auf. Voller Entsetzen begriff Meg, dass es der Knochen war.
»Was haben wir nur getan?«, schluchzte sie. »Was haben wir da nur getan?«
Belch schien der Zwischenfall nicht weiter zu erschüttern.
»Kratzt ein Oldie eben ein paar Tage eher ab – na und?«
Meg wischte sich die Tränen aus den Augen. »Wir müssen einen Krankenwagen rufen, Belch! Sofort!«
Belch schüttelte den Kopf. »Kommt gar nicht in Frage. Jetzt gibt’s kein Zurück.«
McCall verdrehte die Augen. »Bitte«, krächzte er.
Meg richtete das Gewehr auf Belch. »Raus mit dir! Los!«
»Vergiss es, Finn.«
»Ich übernehme die Verantwortung. Hau ab!«
Belch schnaubte. »Na klar. Und dann erzählst du den Bullen, du hättest ihn ins
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