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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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wird ja den Evangelischen im Land eher unterstellt, dass sie weniger sinnlich seien als die römischen Katholiken oder die Orthodoxie. Die Reformatoren aber wollten gerade deutlich machen: Weltliches Leben ist nicht weniger wertvoll als priesterliches oder klösterliches. Es ging ihnen um die Umsetzung unseres Glaubens im Alltag der Welt.
    Dafür ist von entscheidender Bedeutung das eigene Gewissen, das mich drängt, mein Handeln zu verantworten vor Gott. Das Gewissen ist die innere Stimme, die mir klarmachen kann, was richtig und was falsch ist. Natürlich gibt es hierüber vielfältigste Debatten und Diskussionen von Sokrates bis hin zur Psychoanalyse. Ist es die Religion, sind es die Wertvorstellungen der Eltern oder der Gesellschaft, die das Gewissen bestimmen und formen? Oder ist es die ganz praktische Vernunft, die es prägt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ (Immanuel Kant). Mit Martin Luther wird das Gewissen zu einer entscheidenden Instanz. An der Bibel wird es geschärft und der einzelne Mensch muss sein Handeln davor verantworten. Keine kirchliche oder weltliche Autorität kann über dem Gewissen stehen.
    Die Bibel als Quelle
    Das Evangelium weist auf die Sorge für die Schwachen, Witwen und Waisen hin, auf Fremde, die unter uns wohnen, die zu schützen sind. Gerechtigkeit und Frieden sind in großen Bildern der Hoffnung gemalt. Diese Texte können nicht gelesen, über diese Texte kann nicht gepredigt werden ohne Bezug zur Realität unserer Zeit.
    Das gilt zuallererst für den einzelnen Christen und die einzelne Christin. Wir sehen diese Welt als Gottes Schöpfung an, als Haus Gottes, Gottes oikos , so das griechische Wort für „Haus“. In diesem oikos sind wir gemeinsam Haushalterinnen und Haushalter, gemeinsam verantwortlich in der einen Familie der Kinder Gottes. Deshalb können wir uns nicht zurücklehnen, solange wir nicht betroffen sind von all der Not und Zerstörung.
    Als Christin kann ich nicht einfach resignieren, nach dem Motto: Ich kann doch ohnehin nichts tun, also halte ich mich aus allem raus und richte mich in meinem Leben so bequem wie möglich ein. Das ist einfach, macht weniger angreifbar und verschont vor Verletzungen. Es geht aber um eine Frage der Haltung! Wenn ich als Christin die Welt als Gottes Schöpfung und mich als Gottes Geschöpf betrachte, trage ich auch Verantwortung für diese Schöpfung. Wenn Gott jeden Menschen zum eigenen Bilde geschaffen hat, kann es mich nicht unberührt lassen, wie es anderen Menschen ergeht. Wenn Gerechtigkeit biblisch gesehen der Maßstab für gelingendes Zusammenleben ist, muss ich mich fragen, was ich für die Gemeinschaft tun kann. Wenn Leben in Fülle verheißen ist, werde ich darum ringen, mein Leben sinnvoll und in Fülle zu leben und dabei auch Sorge dafür tragen, dass genau das anderen in meinem Umfeld, aber auch darüber hinaus möglich ist.
    Persönlich bin ich überzeugt, dass der christliche Glaube mir einen offenen Blick auf die Welt ermöglicht. Ich kann in aller Freiheit Menschen und die Welt anders als üblich wahrnehmen, weil ich sie als Geschöpfe Gottes sehe und nicht festgelegt bin in vermeintlich unüberwindbare Zwänge. Das gibt mir auch die Freiheit zu sehen, wo ich eingebunden bin in Lebensumstände und Gesellschaft. Ich habe ein Einkommen, mit dem ich das Studium meiner Kinder finanzieren konnte, eine Wohnung, freue mich, ein neues Kleid zu kaufen, essen zu gehen – und bin sehr dankbar dafür, bin mir bewusst, wie privilegiert ich leben darf. Diese Lebensfreuden werden mir aber nicht abgesprochen im Glauben. Um Lebensfülle darf es doch gehen! Doch ich sollte auch Distanz genug haben, um zu fragen, was mein Leben im Kern ausmacht.
    Der bewegendste Bibeltext zum Thema findet sich im Gleichnis vom Weltgericht beim Evangelisten Matthäus:
    Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen
    (Mt 25,35–36).
    Jesus stellt klar: Wo wir Fremde aufnehmen, Armen beistehen, Kranke besuchen, Gefangene unterstützen, da begegnen wir ihm selbst! Das ist letzten Endes eine sehr überraschende Antwort für Menschen, die heute nach Gott fragen. Geh hin zu denen, die

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