Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
die wenig Zeit hat für Menschliches, für Liebe, Vertrauen, Sorge um andere, soziale Belange, die sichtbare und unsichtbare Not.
Als Vertreterin einer Religion wurde meine Anwesenheit, so habe ich es zumindest empfunden, eher wie ein Feigenblatt benutzt. Religion fragt nicht nach Gewinn, sondern nach Sinn, stellt nicht Optimierung in den Vordergrund, sondern kennt Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer, sie sieht nicht ökonomisches Wachstum als die Lösung aller Probleme, sondern weiß um die Grenzen des Lebens und um ethische Verantwortung für den Lebensraum aller. Diese Fragen hatten dort letzten Endes keinen Raum. Am eindrücklichsten blieb mir der Emir von Katar in Erinnerung. Als ich ihm als eine der „religious leaders“ vorgestellt wurde, konnte sich der große, breite Mann vor Lachen kaum halten. Immer wieder schüttelte er mir die Hand und lachte: „A woman as religious leader!“ Ein eindrückliches Erlebnis, immerhin …
Ein Jahr später hielt ich einen Vortrag auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre. In den alten Hafenhallen der Stadt fand sich ein buntes Gemisch von Engagierten aus aller Welt unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“ zusammen. Gewiss, die Veranstaltung war bei Weitem nicht so gut organisiert wie das Weltwirtschaftsforum. Da kollektiv geleitet werden sollte, war es schwer, konkrete Ansprechpartner zu finden oder gar Papiere zu verabschieden. Aber die Menschen, die ich kennengelernt habe, sie haben mir imponiert! Frauen, die gegen Genitalverstümmelung in Äthiopien Aufklärungsarbeit leisten. Männer, die Land in Chile besetzen, um es zu bebauen. Reisbauern aus Indien, die Arbeitslose in Brasilien unterrichteten, wie Reisanbau bei ihnen funktionieren könnte. Frauen aus Liberia, die von ihrem Ringen um Frieden berichteten. Es lag Hoffnung in der Luft, da war eine Atmosphäre des Aufbruchs, die von allen Anwesenden als ermutigend empfunden wurde. Diejenigen, die um ihre Existenz bangen müssen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – haben offensichtlich eine viele stärkere Motivation, etwas zu verändern. Sicher waren manche Ideen unrealistisch, eine Vision, eine Utopie. Aber wenn wir aufhören, zu hoffen und zu träumen, wird sich nie etwas verändern.
Zwei biblische Beispiele
Leitend bleibt für mich als Christin, das eigene Gewissen an der Bibel zu schärfen und in meinem Alltag danach zu handeln, im Bewusstsein des eigenen Versagens, so gut ich es vermag, in Bezug auf Gott, meine Mitmenschen und mich selbst. Auf diese Weise setzt sich um, was Jesus als das höchste Gebot bezeichnet hat: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lk 10,27). Das ist ein Dreieck von Liebe, in dem ich mein Leben verantworten und gestalten kann. Das Buch Jesus Sirach zeigt hierfür einen guten Leitfaden: „Folge dem, was dein Herz dir rät; denn du wirst keinen treueren Ratgeber finden“ (Jesus Sirach 37,17). Wenn ich das befolge, kann ich mein Gewissen erspüren, in mich hineinhören. Ich werde mich nicht ständig ablenken oder einschläfern lassen, sondern in dem Bewusstsein handeln, dass ich nicht perfekt bin und immer wieder an den eigenen Ansprüchen scheitere. Aber ich kann in Freiheit handeln, ohne Angst vor der Meinung anderer, vor Häme und Spott, vor Blogeinträgen oder Twitter-Schmähung. Mir scheint, dass viele Menschen heute mit Blick auf die mögliche Kommentierung handeln – bei Politikern ist es vielleicht der gefürchtete negative Kommentar in der Zeitung, bei anderen im Blog oder bei Facebook. Das bedeutet: Die mögliche Reaktion anderer bestimmt das Handeln und nicht meine innere Überzeugung.
Die Seligpreisungen können für mein Reden und Tun ein entscheidender Maßstab sein, der auch unabhängig davon macht, wie andere es beurteilen. Für mich sind sie einer der schönsten und eindrücklichsten Texte der Bibel:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der
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