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Schlag.«
»Ach, Mouse, sei kein Pessimist.«
»Ich bin bloß realistisch.« Michael litt noch immer unter einer kurzen Affäre mit Dr. Jon Fielding, einem hübschen blonden Gynäkologen, der ihn als Liebhaber eliminiert hatte, als er Zeuge seines Auftritts beim Jockey-Shorts-Tanzwettbewerb im Endup geworden war.
»Sieh mal«, sagte Mary Ann gelassen, »wenn ich dich attraktiv finde, dann gibt’s in dieser Stadt bestimmt haufenweise Männer, denen es genauso geht.«
»Ach«, meinte Michael gallig, »die wollen doch alle nur was Großes.«
»Na, jetzt hör aber auf!«
Michael reagierte manchmal wegen der dümmsten Sachen empfindlich. Er ist mindestens einssiebzig, dachte Mary Ann. Da kann sich doch keiner beklagen.
Von Trauer umflort
Frannie Halcyon war ein absolutes Wrack. Acht Wochen nach dem Tod ihres Mannes schleppte sie sich immer noch durch ihr höhlenartiges altes Haus in Hillsborough und hing düsteren Gedanken darüber nach, ob es nicht bald an der Zeit war, sich um die Zulassung als Immobilienmaklerin zu bewerben.
O Gott, wie anders das Leben doch jetzt war!
In der vergeblichen Hoffnung, daß ihr ein kürzerer Tag ausgefüllter vorkommen würde, stand sie immer erst spät auf, manchmal sogar erst mittags. Ihre ausgedehnten Vormittagskaffees auf der Terrasse gehörten der Vergangenheit an, waren ein totes Ritual, das genauso unausweichlich und schnell versagt hatte wie Edgars kranke Nieren.
Nun begnügte sie sich mit einem ausgedehnten Nachmittags-Mai-Tai. Manchmal zog sie natürlich einen Funken Trost aus dem Wissen, daß sie bald Großmutter sein würde. Das heißt, eigentlich zweifache Großmutter. Ihre Tochter DeDe – die Frau von Beauchamp Day, dem neuen Chef von Halcyon Communications – würde Zwillingen das Leben schenken.
Das war die letzte Auskunft von Dr. Jon Fielding gewesen, DeDes reizendem jungen Gynäkologen.
Allerdings gönnte DeDe ihrer Mutter nicht einmal das simple Vergnügen, über ihre neuen Erben auch nur zu sprechen. Für sie war es ein geradezu leidiges Thema, wie Frannie feststellte. Und das kam der Matriarchin doch reichlich merkwürdig vor.
»Warum darf ich nicht wenigstens ein bißchen schwärmen,. DeDe?«
»Weil du deine Schwärmerei benutzt, Mutter.«
»Ach, Larifari!«
»Du benutzt sie als Vorwand, damit du … damit du dich vor deinem eigenen Leben drücken kannst.«
»Ich bin nur noch ein halber Mensch, DeDe.«
»Daddy ist tot, Mutter. Du mußt dein Leben schon selber in die Hand nehmen.«
»Dann erlaub mir doch endlich, daß ich Babysachen kaufe. Am Ghirardelli Square gibt es einen entzückenden Laden. Er heißt Bébé Pierrot, und ich bin sicher, daß ich dort …«
»Wir wissen doch nicht einmal, ob es Jungen oder Mädchen werden.«
»Dann wäre was Gelbes doch ganz wunderbar.«
DeDe machte ein finsteres Gesicht. »Ich kann Gelb nicht ausstehen. «
»Du magst Gelb sehr. Du hast Gelb immer sehr gemocht. DeDe, mein Schatz, was ist denn mit dir?«
»Nichts!«
»Du kannst mir nichts vormachen, DeDe.«
»Mutter, bitte … Können wir nicht einfach …?«
»Ich muß das Gefühl haben, daß ich gebraucht werde. Kannst du das nicht verstehen? Niemand braucht mich mehr.« Die Matriarchin begann zu schniefen.
DeDe griff nach der Hand ihrer Mutter. »Das de Young braucht dich. Das Legion of Honor braucht dich.«
Frannie lächelte bitter. »Ja, genau so läuft das. Wenn du jung bist, braucht dich deine Familie. Und wenn du alt bist, brauchen dich die Museen.«
DeDe verdrehte entnervt die Augen. »Hör mal, wenn du unbedingt in Selbstmitleid baden willst, kann ich es auch nicht ändern. Aber es ist echt für die Katz.«
Frannies Augen schwammen inzwischen vor Tränen.
»Was erwartest du denn von mir?«
»Ich erwarte von dir …« DeDe schlug einen sanfteren Ton an und wurde zur besorgten Tochter. »Ich erwarte von dir, daß du dir wieder etwas Gutes tust. Bring ein bißchen Schwung in dein Leben. Tritt einem Backgammonclub bei. Schreib dich in Janet Sassoons Trainingskurs ein. Oder bring Kevin Matthews dazu, daß er dich ins Konzert ausführt, Herrgott noch mal! Sein Liebhaber ist bis Juni auf Hydra.«
»Ich weiß, daß du recht hast, aber ich …«
»Sieh dich einmal an, Mutter! Du hast doch das Geld dazu … Laß dir rundherum ein paar Abnäher machen!«
»DeDe!« Die Unverschämtheit ihrer Tochter machte Frannie sprachlos.
»Ich meine es ernst! Mein Gott, warum auch nicht? Gesicht, Titten, Hintern … die ganze Katastrophe! Was hast du schon
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