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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Bewohnerin des Hauses, die Mrs. Madrigal regelrecht angeworben hatte.
    Und sie war – wie sie glaubte – die einzige, die um Mrs. Madrigals Geheimnis wußte.
    Dieses Wissen schuf zwischen den beiden Frauen ein mystisches Band, eine unausgesprochene Seelenverwandtschaft, die Mona auch an den allerdüstersten Tagen wieder aufrichtete. Doch Mrs. Madrigal war nicht zu Hause, weshalb Mona mühsam in ihre Wohnung im ersten Stock hochstieg.
    Wie sie schon befürchtet hatte, war auch Michael weg. Zweifellos war er einen Stock höher und plante mit Mary Ann ihre gemeinsame Reise. Mit Mary Ann war er in letzter Zeit sowieso ziemlich viel zusammen.
    Das Telefon klingelte genau in dem Moment, als Mona das Licht einschaltete. Es war ihre Mutter, die aus Minneapolis anrief. Mona plumpste in einen Sessel und gab sich große Mühe, gefaßt zu klingen.
    »Hallo, Betty«, sagte sie gelassen. Sie hatte ihre Mutter immer Betty genannt. Betty hatte darauf bestanden. Betty fand es nämlich ziemlich übel, daß sie älter war als ihre Tochter.
    »Bist du unter dieser Nummer … wieder dauernd zu erreichen?«
    »Ja.«
    »Ich habe in dem Haus in Pacific Heights angerufen. D’orothea hat mir gesagt, daß du gerade umgezogen bist. Ich kann gar nicht glauben, daß du aus einem so reizenden Haus in einem so hübschen Viertel ausgezogen bist und jetzt wieder in diesem heruntergekommenen …«
    »Du hast das Haus doch noch nie gesehen!« Das paßt wieder mal zu ihr, dachte Mona. Denn Betty war Immobilienmaklerin, eine abgebrühte Karrierefrau, die noch zu Monas Säuglingszeiten von ihrem Mann verlassen worden war. Von Häusern, in denen es weder Sicherheitspersonal noch eine Sauna gab, hielt sie nicht viel.
    »Na, und ob«, brauste Betty auf. »Du hast mir letzten Sommer ein Foto geschickt. Wird das Haus immer noch von dieser … Frau geführt?«
    »Wenn du Mrs. Madrigal meinst, dann ja.«
    »Beim Anblick dieser Person habe ich eine richtige Gänsehaut gekriegt.«
    »Erinnere mich in Zukunft, daß ich dir keine Fotos mehr schicke, ja?«
    »Was hat dich am Haus von D’orothea denn gestört?« Natürlich hatte Betty keine Ahnung von der zerbrochenen Beziehung. An Beziehungen verschwendete sie ohnehin kaum einen Gedanken.
    »Die Miete wurde mir zuviel«, sagte Mona ausweichend.
    »Ach, weißt du, wenn das das Problem ist, kann ich schon einspringen, bis du wieder …«
    »Nein. Ich will dein Geld nicht.«
    »Nur, bis du wieder einen Job gefunden hast, Mona.«
    »Danke, aber ich will nicht.«
    »Sie hat dich da hineingelockt, Mona!«
    »Wer?«
    »Diese Frau.«
    Mona platzte der Kragen. »Mrs. Madrigal hat mir eine Wohnung angeboten, und zwar nachdem wir schon gute Freundinnen geworden waren! Außerdem ist das schon drei Jahre her! Warum bist du jetzt auf einmal so fürchterlich um mein Wohl besorgt?«
    Betty zögerte. »Ich … Ich habe nicht gewußt, wie sie aussieht, bis du mir das Foto …«
    »Ach, hör mir bloß damit auf!«
    »Es ist doch nur, weil sie so … extrem ist.«
    Wenn sie wüßte, dachte Mona. Wenn sie bloß wüßte.

Down sein auf dem Dach
    Brian Hawkins war dreiunddreißig.
    Als er seine aus Jeansstoff und Kordsamt geschneiderte Kellnerkluft von Perry’s auszog und sich mit einem Oly aufs Bett warf, lief es ihm kalt über den Rücken: Das hieß, er war genauso alt wie Jesus auf Golgatha.
    Oder so alt wie der Idiot aus Schall und Wahn.
    Er trat auf der Stelle. Nichts weiter. Er arbeitete, um zu überleben, um weiterzuexistieren, um seine Schweinekoteletts und sein Bier und sein blödes Palmolive bezahlen zu können. Und keine noch so große Dosis entspannter, abgeklärter, dämlicher Philosophiererei über Kalifornien reichte als Kompensation für die Leere, die er fühlte.
    Er wurde alt. Und zwar allein.
    Der Briefträger brachte fast nur Postwurfsendungen. Dabei war er vor langer, langer Zeit natürlich einmal ein hitziger und radikaler junger Anwalt gewesen. Bevor diese Hitzigkeit sich gelegt hatte (und zwischen seinen Beinen zu neuem Leben erwacht war), hatte er den gerechten Kampf zugunsten von Wehrdienstverweigerern in Toronto, von Schwarzen in Chicago, von Indianern in Arizona und von mexikanischen Einwanderern in Los Angeles geführt.
    Jetzt war er in San Francisco Kellner und bediente WASPs.
    Und er ging jetzt mit der gleichen Inbrunst auf »Mösenfang«, mit der er früher gegen Nixon protestiert hatte. Auf der Suche nach diesem glanzlosen Gral trieb es ihn in Farnkrautkneipen und gemischte Saunen, in Waschsalons,

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