Mein irischer Held
Manns genug“, erwiderte Bevan heftig.
„Ha!“ Der Baron zog sein Schwert.
Schon hielt auch Bevan das seine in der Hand.
Jemand reichte Somerton ein Schild, doch niemand hielt eines für MacEgan bereit. Trotzdem zögerte er keine Sekunde lang. Er würde um seine Tochter kämpfen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass eine Frau herbeigeeilt war, die Brianna nun an sich zog, damit sie nicht zu ihrem Vater lief.
„Beginnen wir!“ Bevan hob seine Waffe und machte einen Schritt auf seinen Gegner zu.
Eine Zeit lang umkreisten sich die Männer wie Raubtiere. Dann schlug Metall auf Metall. Die Bewegungen der Kämpfenden wurden schneller. Angriff, Abwehr, Gegenangriff – Schweiß stand Somerton auf der Stirn. Er atmete schnell. Aber Bevan erging es nicht anders. Noch schien keiner der beiden im Vorteil zu sein.
Der Ire jedoch hatte bemerkt, dass der Normanne seine rechte Seite ein wenig zu schonen schien. Das war etwas, das es auszunutzen galt. Bevan täuschte einen Angriff vor, sprang zurück und kam plötzlich von der anderen Seite auf den Baron zu. Ein Aufstöhnen ging durch die Menge der Zuschauer. Bevans Schwert-spitze berührte Somertons Brust.
„Ich sollte Euch töten für alles, was Ihr mir angetan habt“, keuchte MacEgan.
Der Normanne rührte sich nicht. Auch seine Männer standen noch immer abwartend da. Doch es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sie bereit waren, den Iren zu töten, wenn er ihrem Herrn ein Leid zufügte.
„Papa, ich möchte nach Hause“, ließ sich da eine zarte Stimme vernehmen.
Somertons Gesichtsausdruck wurde weich – und er ließ sein Schwert fallen. Sogleich senkte auch Bevan seine Waffe.
„Ich wünschte“, sagte der Baron zu MacEgan gewandt, „ich hätte eine Tochter wie sie. Doch Brianna gehört Euch. Nehmt sie also mit. Sie hat während all der Monate, die sie hier gelebt hat, unter Heimweh nach Irland gelitten. Nun soll sie wieder zu ihrer Familie zurückkehren.“
„Ich danke Euch.“ Bevan streckte dem Normannen die Hand entgegen, und mit einem Handschlag besiegelte Somerton sein Versprechen.
Dann schaute der Baron so gelassen in die Runde, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen. „Es ist Zeit fürs Mittagsmahl“, erklärte er, woraufhin sich die Soldaten zurück an ihre Plätze begaben. Mit einem Blick auf Bevan fügte Somerton hinzu: „Seid heute mein Gast, MacEgan.“
„Ich danke Euch abermals.“ Bevan reichte Brianna die Hand, und gemeinsam folgten Vater und Tochter dem Burgherrn zum Tisch.
Dort stand wartend die Frau, die sich schon zuvor um das Mädchen gekümmert hatte. „Geh mit Mary, Kleines“, meinte der Baron zu Brianna. „Du kannst oben mit ihr essen. Und dann packt ihr deine Sachen. Später werden wir dich rufen, damit du mit deinem Vater nach Irland zurückkehren kannst.“
Bevan war beeindruckt von Somertons Großzügigkeit. Doch einige Fragen brannten ihm noch auf der Seele. Sobald Brianna den Raum verlassen hatte, stellte er sie. Glücklicherweise war der Baron bereit, offen zu antworten. Und so erfuhr MacEgan, dass Fiona ihre Melancholie auch an der Seite ihres normannischen Geliebten nicht hatte überwinden können.
„Eine Zeit lang schien sie recht glücklich zu sein, auch wenn sie manchmal unter Heimweh litt. Dann stellte sich heraus, dass sie erneut Mutter werden sollte. Sie freute sich. Doch im Spätsommer verlor sie unser ungeborenes Kind.“ Somertons Miene spiegelte deutlich seine Trauer wider.„Sie hat den Verlust nicht verkraftet. Ein paar Wochen darauf hat sie sich das Leben genommen. Möge Gott ihrer Seele gnädig sein.“
„Möge Gott ihrer Seele gnädig sein“, wiederholte Bevan erschüttert.
Noch nie hatte Ewan so gelitten. Ihm war, als gäbe es nicht eine einzige Stelle an seinem Körper, die nicht schmerzte. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich im Sattel zu halten.
Marstowes Männer hatten ihn gefoltert, bis er in Ohnmacht gefallen war. Als er schließlich wieder zu sich kam, hatten sie ihm sein Pferd zurückgegeben und ihn zu Somertons Burg geschickt. Er sollte Bevan mitteilen, dass Genevieve sich in Hughs Hand befand.
Ein trockener Schluchzer erschütterte Ewan. Ich habe Bevan im Stich gelassen, dachte er, ich habe Genevieve verraten.
Er schämte sich, weil er die Quälereien, denen er durch Marstowes Männer ausgesetzt war, nicht lange hatte ertragen können. Er hatte – wieder einmal – versagt. Nie würde er sich das verzeihen können.
Mit gesenktem Kopf ritt er weiter und hob nur gelegentlich
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