Mein irischer Held
ihren verlangenden Blick auf sich spürte. Himmel, wie sehr er sie begehrte! Aber er durfte diesem sündigen Wunsch nicht nachgeben. Einst hatte er Fiona Treue geschworen, und an diesen Schwur fühlte er sich, nun da er davon ausgehen musste, dass sie lebte, wieder gebunden.
Aber, sagte eine kleine Stimme in seinem Inneren, Fiona hat ihr Eheversprechen zuerst gebrochen.
Wie sehr wünschte er sich in diesem Moment, Siorcha hätte ihm nie erzählt, was sie über Fionas Verschwinden wusste.
„Lass uns zu unseren Gastgebern zurückgehen“, sagte er und entzog Genevieve seine Hand.
Beim abendlichen Mahl dachte er an all die wundervollen Dinge, die er nie wieder mit ihr würde tun dürfen.
Ewan befand sich auf dem Heimweg. Bevan hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er seine Begleitung nicht wünschte. „Ich werde mich selbst um Genevieve kümmern“, hatte er gesagt. „Du aber wirst auf Rionallís gebraucht.“
Ewan war sich nicht sicher, ob Vertrauen aus diesen Worten sprach oder ob Bevan ihn zurückschickte, weil er ihn noch immer für einen schlechten Kämpfer hielt. Nun, er selbst wusste, dass er während der letzten Wochen viel dazugelernt hatte. Sein Selbstbewusstsein war gewachsen. Eines Tages – dessen war er sich ganz sicher – würde er sich mit den besten Kriegern Irlands messen können.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als er hinter sich Hufgetrappel hörte. Suchend schaute er sich nach einem Platz um, der ihm Schutz gewähren würde. Aber weit und breit gab es keine Möglichkeit, sich als Reiter zu verbergen. Also straffte er die Schultern und setzte seinen Weg fort, wobei er sich allerdings immer wieder umschaute.
Es dauerte eine Weile, ehe ihm klar wurde, dass es eine kleine Gruppe von Normannen war, die ihm folgte. Zuerst hatte er das nur aus der Art ihrer Rüstung geschlossen. Dann aber, als sie ihm so nahe gekommen waren, dass er ihre Gesichter erkennen konnte, erschrak er. Es handelte sich um niemand anderes als Sir Hugh und seine Männer. Und diese waren offenbar entschlossen, ihn einzukreisen. Da er gegen sie keine Chance hatte, brachte er sein Pferd zum Stehen und wartete ab, was passieren würde.
Marstowe selbst ritt auf ihn zu und fragte in seinem überheblichen Ton: „Ihr seid doch der Jüngste der MacEgans? Mir scheint, Euer Bruder hat Euch fortgeschickt.“
Ewan erwiderte nichts darauf.
„Wohin will Euer Bruder?“
Keine Antwort.
Hugh zog daraufhin sein Schwert und setzte es auf die ungepanzerte Brust des Jungen. „Nun? Ihr wollt nicht reden?“
„Nein, von mir werdet Ihr nichts erfahren.“
Marstowe lachte. Und plötzlich hielt er ein Messer in der Hand, mit dem er Ewans Arm bis hinunter zum Handgelenk aufschlitzte. Blut strömte aus der Wunde, und dem Jungen wurde schwarz vor Augen.
„Nun?“, hörte er wie von weit her Hughs Stimme.
„Somerton“, flüsterte er.
„Ich werde mit dir gehen“, sagte Genevieve entschlossen.
„Ich werde dich nicht mitnehmen. Deshalb wirst du in der Abtei von Dun Laoghaire bleiben.“
„Nein. Du kannst nicht verhindern, dass ich dir folge.“ Sie wandte ihr Pferd, so dass sein Kopf nun wieder in Richtung Küste zeigte.
Bevan bebte vor Zorn. „Genevieve, ich befehle dir …“
Sie unterbrach ihn. „Da du darauf bestehst, dass unsere Ehe nicht rechtsgültig ist, kannst du mir nichts befehlen.“
Er stieß einen Fluch aus.
„Versetz dich einmal in meine Lage“, meinte Genevieve nun leiser. „Wenn ich unterwegs wäre, um ein Gespräch mit Hugh zu suchen, würdest du mich dann allein gehen lassen?“
„Das kann man nicht miteinander vergleichen.“
„Du würdest mich begleiten wollen, weil du Hugh kennst und weißt, dass er zu allem fähig ist. Nun, ich kenne Fiona nicht. Aber ich weiß, dass sie dich schon einmal hintergangen hat. Und was ist mit Somerton? Vielleicht brennt er nur darauf, dich zu töten. Ich werde nicht zulassen, dass du dich ohne jede Unterstützung in eine solche Gefahr begibst.“
Sie sah, dass er in seinem Entschluss wankend wurde. Rasch fuhr sie fort: „Sobald ich mich mit eigenen Augen davon überzeugt habe, dass Fiona lebt und du nicht in Gefahr bist, werde ich euch allein lassen. Das verspreche ich dir.“
Sie hatte keine Ahnung, wohin sie sich dann wenden sollte.
Sie wusste nicht einmal, ob sie nicht vor Kummer und Eifersucht krank werden würde. Aber in diesem Moment war sie bereit, alles zu versprechen, wenn es ihr nur die Möglichkeit eröffnete, noch eine Weile an
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