Die Liebesgöttin (German Edition)
Prolog
A drian, du bist ein verdammter Windhund! Warst immer einer, und wirst ewig einer bleiben. Hau endlich ab aus meinem Kopf und vor allem aus meinen Nächten! Untersteh dich ja, mich noch einmal im Traum so wüst zu ficken, hörst du?«
Trotz der harschen Worte strich Amanda mit einer Hand immer wieder sanft, ja geradezu zärtlich über das runde Hinterteil der Marmorstatue, die auf einem Sockel vor dem nördlichen Atelierfenster stand.
Die Figur, ein nackter männlicher Torso, war beinahe fertig. Es fehlten noch einige wenige Details (unter anderem Penis und Hodensack), aber die mussten warten, bis die Künstlerin ihr momentanes seelisches Tief überwunden hatte.
Sie trug Schwarz, ihrer aktuellen Stimmung entsprechend. Und weil es den Rotstich in der prachtvollen Lockenmähne dezent unterstrich. Und außerdem das Grün der Augen strahlen ließ wie Smaragde. Amanda verstand etwas davon, sich gekonnt in Szene zu setzen.
Es hat etwas, dachte sie gerade, sich an melancholischen Tagen wie dem heutigen wie eine Diva zu fühlen. Auch wenn mich hier in den Bergen niemand bewundern wird in dem Aufzug. Wenn ich nicht aufpasse, mutiere ich noch zu einer wirklichen Einsiedlerin auf meiner Finca! – Wieder streichelte sie geistesabwesend das pralle, knackige Hinterteil der kopf- und penislosen männlichen Statue.
Zu ihren Füßen begann plötzlich ein lautes Schnurren und riss Amanda aus ihrer Versunkenheit.
Rasputin, der schneeweiße Kater mit den grünen Augen, die sogar noch einen Tick grüner wirkten als ihre eigenen (als Künstlerin behielt Amanda sich das Recht vor, sogar Farben grammatikalisch zu steigern), schmiegte sich an ihre Beine. Einige weiße Katzenhaare blieben dabei an dem dünnen schwarzen Chiffon des langen Kleides haften.
»Lass das, Rasputin! Raus in den Garten mit dir. Los, los, Abmarsch. Ich bin nicht in Schmusestimmung heute Morgen. Du hast dich die ganze Nacht herumgetrieben und hemmungslos amüsiert. Während dein Frauchen einsam in ihrem Bett lag. Ohne Streicheleinheiten und von wilden, merkwürdigen Träumen geplagt. Wenn es daraus aufschreckte, schweißgebadet und mit pochendem Herzen, wer war dann da, um es zu trösten? Der treulose Rasputin etwa? Ich werde dir verraten, wer da war! Niemand nämlich. Jawohl, niemand. Hörst du? NIEMAND!«
Der Kater hörte prompt zu schnurren auf, während Amanda ihren Monolog abhielt, der ein bisschen lächerlich, weil nach Klagemauer klang. Oder wahlweise auch nach indischer Witwe vor der Selbstverbrennung.
Dazu das dramatische schwarze Schleiergewand.
Wenn es nicht beinahe völlig durchsichtig und Amanda obendrein darunter splitternackt gewesen wäre, so hätte man glatt glauben können, seine Trägerin meine es tatsächlich ernst mit ihrem Auftritt.
Rasputin fixierte sie mit diesem eiskalten grünen Blick, der zu sagen schien: »Du bist völlig durchgeknallt, Mädchen! Sind wir also wieder einmal in dieser Stimmung? Von mir aus kannst du meckern und die Theatralische spielen, so lange du willst. Jedenfalls wirst du mir nicht das Leben schwer machen. Dann hau ich eben tatsächlich wieder ab und tauche unter. Du kannst dich ja zwischenzeitlich von einem deiner anderen Lieblinge aus dem Schlangenterrarium trösten lassen. Zum Glück besitzt du ja merkwürdige Hobbys zur Genüge . «
Ehe Amanda ihn sich greifen und reumütig an den Busen drücken konnte, machte sich der Kater davon.
Klüger als die meisten Männer – dachte sie und schüttelte, halb bedauernd, halb lachend, den Kopf.
Adrian war regelmäßig ausgeflippt, wenn sie in dieser Stimmung schwelgte wie andere Leute in ihrem sonnabendlichen Schaumbad. Anstatt ihr die Zeit und die Muße zu schenken, die sie brauchte, um sich wieder einzukriegen, hatte er sie angefahren und ihr obendrein vorgeworfen, hysterisch und egozentrisch zu sein. Eine Drama-Queen erster Güte hatte er sie genannt.
»Wie kannst du einem Künstlerkollegen das nur antun?« – hatte er schließlich eines Tages getobt. Und dann auch noch seine ledergepolsterten Profi-Kopfhörer nach Amanda geworfen. Anstatt sie sich auf den Kopf zu stülpen und stillschweigend damit an seinenMusikcomputer auszuweichen, bis Amandas Tief vorbeigezogen war.
Hinterher war es selbstredend ihre alleinige Schuld gewesen, dass die teuren Ohrenklappen den Aufprall auf dem harten Steinfußboden der Finca-Küche nicht unbeschadet überstanden hatten.
Dieser schicksalsträchtige Vorfall sollte dann auch der letzte seiner Art sein. Der sensible
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