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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Jean.
    Das Abbiegen von der Route 9W in die Walnut Street geschah immer noch fast automatisch, ohne dass sie bewusst daran denken musste. Das Glen-Ridge House in Cornwall,
benannt nach einem der großen Gasthäuser der Stadt aus dem neunzehnten Jahrhundert, war für das Klassentreffen ausgewählt worden. Neunzig Schüler hatten in ihrem Jahrgang den Abschluss gemacht. In der letzten Nachricht, die sie erhalten hatte, hieß es, zweiundvierzig von ihnen hätten ihr Kommen zugesagt, zuzüglich der Ehefrauen, Ehemänner oder Lebensabschnittspartner sowie der Kinder.
    Was sie selbst betraf, bestand kein Bedarf an zusätzlichen Reservierungen.
    Es war Jack Emersons Entscheidung gewesen, das Treffen erst im Oktober statt im Juni stattfinden zu lassen. Er hatte eine Umfrage unter den Klassenmitgliedern gestartet, die ergeben hatte, dass im Juni ihre eigenen Kinder den Abschluss von der Highschool oder von der Grundschule feierten, weshalb viele verhindert gewesen wären.
    Mit der Post hatte Jean ihr Erkennungsschild erhalten, auf dem ihr Foto aus der Abschlussklasse und darunter ihr Name prangten. In derselben Sendung war auch der geplante Tagesablauf für das Wochenende mitgeteilt worden: Freitagabend Begrüßung mit Cocktailparty und kaltem Büfett. Samstag Frühstücksbüfett, Besichtigung von West Point, Footballspiel Army gegen Princeton und schließlich Cocktailparty und festliches Dinner. Am Sonntag hatte das Treffen ursprünglich mit einem Brunch in der Stonecroft Academy ausklingen sollen, aber nach Alisons Tod war beschlossen worden, eine Morgenandacht zu ihrem Andenken einzufügen. Sie war auf dem Friedhof neben der Schule beerdigt worden, und die Gedenkfeier sollte an ihrem Grab stattfinden.
    In ihrem Testament hatte Alison dem Stipendienfonds von Stonecroft eine größere Summe hinterlassen – das war wohl der Hauptgrund dafür, dass man diese Zeremonie kurzfristig angesetzt hatte.
    Viel hat sich nicht verändert, dachte Jean, als sie langsam durch die Straßen der Stadt fuhr. Es war schon viele Jahre
her, seit sie zuletzt hier gewesen war. Im Sommer nach ihrem Abschluss in Stonecroft hatten sich ihre Eltern endlich getrennt, das Haus verkauft und waren ihre eigenen Wege gegangen. Ihr Vater war jetzt Manager eines Hotels auf Maui. Ihre Mutter war zurück nach Cleveland gezogen, wo sie aufgewachsen war, und hatte dort ihre große Highschool-Liebe geheiratet. »Mein größter Fehler war, dass ich Eric nicht schon vor dreißig Jahren geheiratet habe«, hatte sie bei der Hochzeit geschwärmt.
    Und was wird aus mir? Das war der Gedanke, der Jean damals durch den Kopf geschossen war. Wenigstens hatte die Trennung zur Folge gehabt, dass ihr Leben in Cornwall ein gnädiges Ende fand.
    Sie widerstand der Versuchung, einen Abstecher zur Mountain Road zu machen und an ihrem alten Haus vorbeizufahren. Nicht jetzt, dachte sie, vielleicht irgendwann später an diesem Wochenende. Kurz darauf bog sie in die Einfahrt des Glen-Ridge House ein. Vor dem Eingang öffnete der Portier mit einem professionellen Lächeln die Wagentür und sagte: »Willkommen daheim.« Jean drückte den Knopf der Kofferraumentriegelung und sah zu, wie ihr Kleidersack und ihr Koffer herausgehoben wurden.
    »Gehen Sie ruhig zur Rezeption«, meinte der Portier diensteifrig. »Wir kümmern uns um Ihr Gepäck.«
    Die Empfangshalle des Hotels strahlte mit ihrem weichen Teppichboden und den bequemen Sesselgruppen eine gemütliche Clubatmosphäre aus. Die Rezeption befand sich auf der linken Seite, schräg dahinter erblickte Jean die Bar, die sich bereits in Erwartung der Cocktailparty mit den ersten Gästen zu füllen begann.
    Ein über der Rezeption aufgespanntes Spruchband hieß die Teilnehmer des Stonecroft-Klassentreffens willkommen.
    »Willkommen daheim, Miss Sheridan«, sagte der etwa sechzigjährige Angestellte hinter der Theke. Seine schlecht getönten Haare waren farblich haargenau auf das Kirschholzfurnier
der Theke abgestimmt. Als Jean ihm ihre Kreditkarte überreichte, überkam sie der merkwürdige Gedanke, dass er vielleicht ein Stückchen von der Theke als Vorlage für seinen Frisör abgesäbelt hatte.
    Sie fühlte sich innerlich noch nicht bereit, sich mit irgendeinem ihrer früheren Klassengenossen abzugeben, und hoffte, dass sie es bis zum Aufzug schaffen würde, ohne aufgehalten zu werden. Sie wollte wenigstens eine halbe Stunde Ruhe für sich haben, sich duschen und umziehen. Danach würde sie ihr Erkennungsschild mit dem Foto des

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