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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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wieder herauskam. Außerdem befand ich mich in einem scheußlichen Gesundheitszustand, von den Schmerzen in meinem Arm ganz zu schweigen. Wir verabredeten, uns am nächsten Tag im britischen Konsulat zu treffen, wohin auch Cottman und McNair kommen wollten. Es würde wahrscheinlich einige Tage dauern, ehe unsere Pässe in Ordnung waren. Bevor man Spanien verließ, mußten die Pässe an drei verschiedenen Stellen abgestempelt werden – vom Polizeichef, vom französischen Konsul und von den katalanischen Einwanderungsbehörden. Natürlich war der Polizeichef eine Gefahr. Aber vielleicht konnte der britische Konsul die Sache so darstellen, daß man von meiner Verbindung mit der P.O.U.M. nichts erfuhr. Natürlich mußte es eine Liste verdächtiger ausländischer »Trotzkisten« geben, und sehr wahrscheinlich enthielt sie auch unsere Namen. Mit etwas Glück konnten wir aber vor dieser Liste an die Grenze kommen. Sicherlich herrschten ein ziemlich großes Durcheinander und manaña. Zum Glück waren wir in Spanien und nicht in Deutschland. Die spanische Geheimpolizei hatte zwar etwas vom Geist der Gestapo, aber nicht viel von ihrer Geschicklichkeit.
    So trennten wir uns. Meine Frau ging zum Hotel zurück, und ich wanderte in die Dunkelheit, um ein Plätzchen zum Schlafen zu finden. Ich erinnere mich, wie gelangweilt und mürrisch ich mich fühlte. Ich hatte mich so auf eine Nacht in einem Bett gefreut! Nirgends gab es etwas, wohin ich gehen konnte, kein Haus, wo ich unterschlüpfen konnte. Die P.O.U.M. hatte praktisch keine Untergrundorganisation. Ohne Zweifel hatten die Anführer erkannt, daß die Partei wahrscheinlich unterdrückt werden würde, aber sie hatten niemals mit einer derartig umfangreichen Hexenjagd gerechnet. Das hatten sie tatsächlich so wenig erwartet, daß sie die Umbauten an dem P.O.U.M.-Gebäude bis zu dem Tag fortsetzten, an dem die P.O.U.M. unterdrückt wurde (unter anderem errichteten sie ein Kino in ihrem Amtsgebäude, das vorher eine Bank gewesen war). So gab es keine Treffpunkte und Verstecke, die jede revolutionäre Partei selbstverständlich haben sollte. Gott weiß, wie viele Leute – Leute, deren Haus von der Polizei besetzt worden war – diese Nacht in den Straßen schliefen. Ich hatte fünf Tage einer ermüdenden Reise hinter mir, ich hatte an den unmöglichsten Orten geschlafen, mein Arm schmerzte sehr stark, und jetzt jagten mich diese Dummköpfe hin und her, und ich mußte wieder auf der Erde schlafen. So weit ungefähr reichten meine Gedanken. Ich stellte keine korrekten politischen Überlegungen an. So etwas tue ich nie, während etwas geschieht. Wenn ich in einen Krieg oder in politische Auseinandersetzungen verwickelt bin, geht es mir anscheinend immer so. Ich weiß von nichts, außer den physischen Unannehmlichkeiten und dem tiefen Wunsch, daß dieser verdammte Unsinn bald vorbeigehen möge. Hinterher sehe ich die Bedeutung der Ereignisse, aber während sie geschehen, habe ich nur den Wunsch, daraus wegzukommen – vielleicht ist das ein gemeiner Charakterzug.
    Ich legte einen langen Weg zurück und kam schließlich in die Nähe des Allgemeinen Krankenhauses. Ich suchte nach einem Ort, wo ich mich hinlegen konnte, ohne daß mich ein neugieriger Polizist fand und nach meinen Papieren fragte. Ich versuchte es in einem Luftschutzbunker, aber er war gerade frisch ausgehoben worden und tropfte vor Feuchtigkeit. Dann fand ich die Ruine einer Kirche, die während der Revolution geplündert und in Brand gesteckt worden war. Sie war nur noch ein Skelett, vier Wände ohne Dach, die einen Haufen Schutt umgaben. Ich stöberte in der grauen Finsternis herum und fand eine Art Mulde, in die ich mich hinlegen konnte. Brocken von zerbrochenem Mauerwerk sind nicht gerade gut, um sich daraufzulegen, aber glücklicherweise war es eine warme Nacht, und es gelang mir, einige Stunden zu schlafen.

 
VIERZEHNTES KAPITEL
     
    Wenn man in einer Stadt wie Barcelona von der Polizei gesucht wird, ist das schlimmste, daß überall so spät geöffnet wird. Wenn man im Freien schläft, wacht man immer mit dem Morgengrauen auf. In Barcelona öffnete aber keines der Cafés vor neun Uhr, so mußte ich also Stunden warten, ehe ich mich rasieren lassen konnte oder eine Tasse Kaffee bekam. Es war recht eigenartig, im Friseurladen noch die anarchistische Bekanntmachung an der Wand zu finden, auf der erklärt wurde, daß Trinkgelder verboten seien. Auf der Ankündigung stand: »Die Revolution hat unsere Ketten

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