Mein Katalonien
zerschlagen.« Ich hätte den Friseuren am liebsten gesagt, daß sie bald wieder Ketten haben würden, für den Fall, daß sie nicht gut aufpaßten.
Ich wanderte zum Zentrum der Stadt zurück. Die roten Flaggen über dem P.O.U.M.-Gebäude waren heruntergerissen worden, an ihrer Stelle wehten republikanische Fahnen. Ganze Gruppen bewaffneter Zivilgardisten drückten sich in den Torwegen herum. Die Polizei hatte sich ein Vergnügen daraus gemacht, die meisten Fensterscheiben des Zentrums der Roten Hilfe an der Plaza de Cataluña zu zerschlagen. Man hatte den Buchladen der P.O.U.M. leergeräumt; und das Anschlagbrett weiter unten an der Rambla war mit P.O.U.M.-feindlichen Karikaturen beklebt worden – der Karikatur mit der Maske und dem faschistischen Gesicht darunter. Am Ende der Rambla, in der Nähe der Kais, sah ich etwas Seltsames. Dort saß eine Reihe Milizsoldaten, noch zerlumpt und schmutzig von der Front, erschöpft auf den Stühlen der Schuhputzer. Ich wußte, wer sie waren – ja, ich erkannte sogar einen von ihnen. Sie waren Milizsoldaten der P.O.U.M. die am Tage vorher von der Front gekommen waren, um nun zu sehen, daß die P.O.U.M. unterdrückt wurde. Sie hatten die Nacht auf der Straße verbringen müssen, da man ihre Häuser besetzt hatte. Jeder Milizsoldat der P.O.U.M. der in diesem Augenblick nach Barcelona kam, hatte die Wahl, sich entweder sofort zu verstecken oder ins Gefängnis zu gehen. Das ist nach, drei oder vier Monaten an der Front nicht gerade ein sehr angenehmer Empfang.
Wir waren in einer seltsamen Lage. Nachts wurde man wie ein Flüchtling gejagt, aber tagsüber konnte man fast ein normales Leben führen. Jedes Haus, von dem man wußte, daß in ihm Anhänger der P.O.U.M. wohnten, wurde sicher oder doch mit ziemlicher Sicherheit bewacht. Es war unmöglich, in ein Hotel oder in eine Pension zu gehen, denn es bestand eine Anordnung, wonach der Hotelbesitzer die Ankunft jedes Fremden sofort der Polizei mitteilen mußte. Das hieß praktisch, daß man die Nacht auf der Straße verbringen mußte. Tagsüber jedoch war man in einer Stadt von der Größe Barcelonas ziemlich sicher. Die Straßen waren voller Zivilgardisten, Sturmgardisten, Carabineros und normaler Polizei, daneben Gott weiß welche Spione in Zivil. Aber trotzdem konnten sie nicht jeden anhalten, der an ihnen vorbeiging, und wenn man normal aussah, konnte man ihrer Aufmerksamkeit entgehen. Man mußte vor allen Dingen vermeiden, sich in der Nähe der P.O.U.M.-Gebäude aufzuhalten, und durfte nicht in jene Cafés und Restaurants gehen, wo einen die Kellner von Angesicht kannten. An diesem und dem nächsten Tag verbrachte ich ziemlich viel Zeit mit einem Bad in einer der öffentlichen Badeanstalten. Das erschien mir damals als eine gute Möglichkeit, mich verborgen zu halten. Leider hatten viele andere die gleiche Idee, und ein paar Tage nachdem ich Barcelona verlassen hatte, besetzte die Polizei eine der öffentlichen Badeanstalten und verhaftete eine Anzahl völlig nackter »Trotzkisten«.
In der Mitte der Rambla begegnete ich einem Verwundeten aus dem Sanatorium Maurin. Wir wechselten einen jener unsichtbaren Blicke, mit denen sich die Leute damals grüßten, und wir trafen uns unauffällig in einem der Cafés etwas weiter oben an der Straße. Er war der Verhaftung entgangen, als das Maurin besetzt wurde, war aber wie viele andere auf die Straße getrieben worden. Er war nur in Hemdsärmeln, denn er mußte ohne Jacke fliehen und hatte kein Geld. Er schilderte mir, wie einer der Zivilgardisten das große farbige Porträt Maurins von der Wand herabgerissen und in Stücke getreten habe. Maurin, einer der Gründer der P.O.U.M. war Gefangener in den Händen der Faschisten, und man vermutete damals schon, daß er von ihnen erschossen worden sei.
Um zehn Uhr traf ich meine Frau auf dem britischen Konsulat. McNair und Cottman kamen kurze Zeit später auch dorthin. Als erstes erzählten sie mir, Bob Smillie sei tot. Er war in Valencia im Gefängnis gestorben, aber niemand wußte mit Sicherheit, wie. Man hatte ihn sofort beerdigt, und man hatte David Murray, dem örtlichen Vertreter der I.L.P. die Erlaubnis verweigert, seine Leiche zu sehen.
Natürlich vermutete ich sofort, Smillie sei erschossen worden. Das glaubte damals jeder, aber inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, ich könne unrecht gehabt haben. Später wurde eine Blinddarmentzündung als Todesursache angegeben, und wir hörten hinterher von einem anderen, entlassenen
Weitere Kostenlose Bücher