Mein Katalonien
Maiunruhen örtliche Kämpfe verhütet und vermutlich zehn oder zwanzig Menschenleben gerettet hatte. Zum Dank für alles fand man nichts Besseres, als ihn ins Gefängnis zu werfen. Natürlich war es verlorene Zeit, wütend zu sein, aber die dumme Bosheit dieser Geschichte stellte wirklich meine Geduld auf die Probe.
Meine Frau hatten sie allerdings nicht »verhaftet«. Obwohl sie im ›Continental‹ geblieben war, hatte die Polizei nichts unternommen, um sie festzusetzen. Offensichtlich wurde sie als Lockvogel benutzt. Ein paar Nächte vorher jedoch waren sechs Polizisten in Zivil frühmorgens in ihr Hotelzimmer gekommen und hatten es durchsucht. Sie hatten jedes Stückchen Papier, das wir besaßen, beschlagnahmt, zum Glück nur nicht unsere Pässe und unser Scheckbuch. Sie hatten meine Tagebücher, alle Bücher und sämtliche Zeitungsausschnitte, die ich monatelang aufbewahrt hatte, mitgenommen. (Ich habe mich oft gefragt, was sie mit den vielen Zeitungsausschnitten angefangen haben.) Sie hatten auch meine Kriegssouvenirs und meine Briefe mitgenommen. (Zufällig war darunter auch eine Reihe von Briefen, die ich von meinen Lesern erhalten hatte. Einige hatte ich noch nicht beantwortet, und ich habe natürlich die Adressen nicht mehr. Sollte mir jemand über mein letztes Buch geschrieben und keine Antwort erhalten haben und zufällig diese Zeilen lesen, möge er bitte auf diese Weise meine Entschuldigung entgegennehmen.) Hinterher erfuhr ich auch, daß die Polizei einige Habseligkeiten beschlagnahmte, die ich im Sanatorium Maurin gelassen hatte. Sie schleppten sogar ein Bündel meiner schmutzigen Wäsche weg. Vielleicht dachten sie, darauf stünden geheime Botschaften in unsichtbarer Tinte.
Offensichtlich war es für meine Frau im Augenblick sicherer, im Hotel zu bleiben. Falls sie versuchte zu verschwinden, würde man ihr sofort nachspüren. Ich selbst aber mußte direkt untertauchen. Der Gedanke daran empörte mich. Trotz der unzähligen Verhaftungen konnte ich eigentlich nicht glauben, daß ich in Gefahr war. Die ganze Angelegenheit schien so sinnlos zu sein. Ebenso weigerte ich mich, diesen idiotischen Zufall ernst zu nehmen, der Kopp ins Gefängnis gebracht hatte. Ich überlegte dauernd, warum sollte mich denn jemand verhaften? Was hatte ich getan? Ich war nicht einmal Parteimitglied der P.O.U.M. Natürlich hatte ich während der Maikämpfe Waffen geführt, aber das hatten schätzungsweise vierzig- oder fünfzigtausend Leute getan. Außerdem brauchte ich dringend eine Nacht anständigen Schlafes. Ich wollte es riskieren und zum Hotel zurückgehen, aber meine Frau wollte nichts davon hören. Geduldig erklärte sie mir die ganzen Umstände. Es kam nicht darauf an, was ich getan oder nicht getan hatte. Es handelte sich nicht um eine Jagd auf Kriminelle, es war nur die Herrschaft des Terrors. Ich hatte mich nicht eines bestimmten Vergehens schuldig gemacht, sondern meine Schuld bestand darin, ein »Trotzkist« zu sein. Die Tatsache, daß ich in der Miliz der P.O.U.M. gedient hatte, war genug, um mich ins Gefängnis zu bringen. Es hatte keinen Zweck, sich an die englische Auffassung zu klammern, wonach man sicher ist, solange man die Gesetze eingehalten hat. Praktisch gab es nur das Gesetz, das sich die Polizei ausgedacht hatte. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu verbergen und geheimzuhalten, da ich irgend etwas mit der P.O.U.M. zu tun hatte. Wir gingen die Papiere durch, die ich in der Tasche hatte. Meine Frau ließ mich den Milizausweis, auf dem in großen Buchstaben P.O.U.M. stand, zerreißen, außerdem auch ein Foto einer Gruppe Milizsoldaten, auf dem im Hintergrund eine P.O.U.M.-Flagge zu sehen war. Wegen so etwas wurde man jetzt verhaftet. Meine Entlassungspapiere allerdings mußte ich behalten. Aber selbst sie waren gefährlich, denn sie trugen das Siegel der 29. Division, und die Polizei wußte sicher, daß die 29. Division zur P.O.U.M. gehörte. Aber ohne diese Papiere konnte ich wegen Fahnenflucht verhaftet werden.
Wir mußten uns nun überlegen, wie wir aus Spanien herauskamen. Es hatte keinen Zweck mehr, hierzubleiben, wo man mit Sicherheit früher oder später verhaftet würde. Tatsächlich wären wir beide noch gerne hiergeblieben, um zu sehen, was geschah. Aber ich konnte mir vorstellen, wie lausig die spanischen Gefängnisse sein würden (sie waren tatsächlich noch schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte). Wenn man aber erst einmal im Gefängnis saß, wußte man nicht, wann man
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