Mein Leben ohne Limits
inspirieren. Ich darf ihnen stundenlang von meinem Leben erzählen und ihnen Mut machen.
Das ist mein Beitrag auf dieser Welt. Es ist wichtig, dass du anfängst, deinen eigenen Wert zu erkennen. Denn auch du kannst etwas beitragen! Wenn du im Moment total frustriert bist, ist das okay. Dein Frust ist ein Signal dafür, dass du noch mehr vom Leben willst. Das ist doch gut! Oft merken wir erst in schwierigen Zeiten, wer wir wirklich sein wollen.
DA FEHLT DOCH WAS
Ich habe sehr lange gebraucht, bis ich das Gute an meinem Leben sehen konnte. Meine Mom war fünfundzwanzig, als sie mit mir schwanger wurde. Ich war ihr erstes Kind. Sie arbeitete als Hebamme und Krankenschwester im Kreißsaal und hatte sich um Hunderte von Müttern und Kindern gekümmert. Sie wusste genau, was während der Schwangerschaft zu beachten war, welche Lebensmittel und welche Medikamente sie meiden sollte. Mom trank keinen Alkohol, nahm keine Tabletten gegen Kopfweh oder andere Schmerzen. Sie ging zu den besten Ärzten und bekam von ihnen versichert, dass alles seinen guten Gang ging.
Trotzdem machte meine Mutter sich Sorgen. Als der Geburtstermin näher rückte, sagte sie öfter zu meinem Vater: „Ich hoffe, mit dem Baby ist alles in Ordnung.“ Zwei Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft brachten keine nennenswerten Ergebnisse. Die Ärzte sagten meinen Eltern, das Baby sei ein Junge. Über die fehlenden Gliedmaßen kein Sterbenswort! Als ich am 4. Dezember 1982 das Licht der Welt erblickte, war die erste Frage meiner Mom: „Ist das Baby gesund? Geht es ihm gut?“ Es herrschte betretenes Schweigen. Die Sekunden verstrichen und niemand brachte das Kind, um es ihr zu zeigen. Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, wurde immer stärker. Anstatt mich meiner Mutter zum Halten zu geben, rief man einen Kinderarzt und brachte mich in eine andere Ecke des Kreißsaals. Dort wurde ich untersucht und die Ärzte berieten sich. Als meine Mom den kräftigen Schrei eines Babys hörte, war sie zunächst erleichtert. Meinem Vater, der während der Geburt gesehen hatte, dass mir ein Arm fehlte, wurde indessen übel. Eine Schwester brachte ihn aus dem Kreißsaal.
Die Ärzte und Krankenschwestern waren sichtlich schockiert und wickelten mich schnell in Tücher.
Meine Mutter hatte Hunderte von Geburten miterlebt. Sie wusste genau, dass etwas nicht stimmte. Den Medizinern konnte sie es von den Gesichtern ablesen: Irgendetwas war gründlich schiefgelaufen.
„Was ist los? Was stimmt mit dem Baby nicht?“, wollte sie wissen.
Der Arzt verweigerte zunächst die Auskunft, aber sie ließ nicht locker. Schließlich kam ihm der medizinische Fachterminus über die Lippen.
„Phokomelie.“
Als Krankenschwester verstand meine Mom sofort, dass damit Missbildungen oder das Fehlen von Gliedmaßen gemeint waren. Sie konnte es nicht glauben.
Zur gleichen Zeit saß mein Vater draußen und fragte sich benommen, ob er richtig gesehen hatte. Als der Kinderarzt herauskam, rief er: „Mein Sohn, ihm fehlt ein Arm!“
„Es ist so“, sagte der Mediziner mit beruhigender Stimme, „Ihr Sohn hat weder Arme noch Beine.“
Vor Schock und Verzweiflung schwanden meinem Vater die Kräfte. Er sank zu Boden und konnte erst einmal nichts mehr sagen. Dann erwachten seine Beschützerinstinkte. Er stürzte in den Kreißsaal, um meine Mutter vorzuwarnen. Aber er fand sie zu seinem Schrecken schon weinend im Bett. Inzwischen war man bereit, mich zu ihr zu bringen, aber sie weigerte sich, mich zu nehmen.
Die Krankenschwestern weinten. Die Hebamme weinte. Und ich erst! Schließlich legte man mich neben sie. Ich war noch immer in Tücher eingewickelt. Meine Mom konnte nicht ertragen, was sie sah: Keine Arme. Keine Beine. Ihr Kind, nur Kopf und Rumpf.
„Nehmen Sie ihn weg“, sagte sie. „Ich will ihn nicht anfassen. Ich will ihn nicht sehen.“
Bis heute ärgert sich mein Vater darüber, dass die Schwestern ihm nicht die Gelegenheit gegeben haben, es meiner Mutter schonend beizubringen. Als sie später schlief, ging er zum Säuglingssaal, um mich zu besuchen. Wieder zurück, weckte er meine Mom und sagte: „Er ist wunderschön.“ Ob sie mich nun vielleicht sehen wolle? Aber sie war noch zu aufgewühlt und lehnte ab.
Anstatt meine Geburt zu feiern, trauerten meine Eltern und die ganze Gemeinde, zu der sie gehörten. „Wenn Gott ein Gott der Liebe ist“, stellte so mancher die Frage, „wie kann er dann so etwas zulassen?“
MEINE GEBURT – EIN ANLASS ZUR
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