Mein Leben ohne Limits
daran, ihren körperlich behinderten Sohn so normal wie möglich zu erziehen. Sie hielten einfach an ihrer Überzeugung fest, dass Gott sich etwas dabei gedacht haben musste.
Manche Verletzungen heilen besser, wenn man in Bewegung bleibt. Das trifft auch auf Rückschläge im Leben zu.
Wir haben unser Leben nicht in der Hand. Manche Dinge geschehen ohne unser Zutun und manche können wir nicht aufhalten. Eins bleibt uns aber immer erhalten: die Wahl zwischen Aufgeben und Weitermachen. Ich denke oft, dass alles, was uns passiert, seinen Grund hat. Am Ende kommt oft sogar etwas Gutes dabei heraus.
Als kleiner Junge hielt ich mich für ein völlig normales, fröhliches und von Natur aus liebenswertes Kind. Diese Unwissenheit war ein echter Segen für mich. Ich wusste noch nicht, dass ich anders war und welche Herausforderungen vor mir lagen. Egal, wie groß sie letztendlich waren: Ich glaube, dass in uns allen ungeahnte Kräfte wohnen. Für jede Behinderung und Unfähigkeit, die uns hemmt, besitzen wir mehr als genug Fähigkeiten, um sie zu überwinden!
Mir hat Gott neben anderen Gaben eine große Portion Entschlossenheit in die Wiege gelegt. Also zeigte ich allen, dass ich auch ohne Arme und Beine ein sportliches Kerlchen war. Auch wenn ich im Grunde nur aus einem Rumpf bestand, war ich ein typischer Junge. Ich rollte herum, machte Sturzflüge und war ein richtiger kleiner Frechdachs. Irgendwann lernte ich, mich in eine aufrechte Position zu bringen. Ich musste nur die Stirn gegen eine Wand drücken und Stück für Stück daran hochrutschen. Meine Eltern haben lange Zeit versucht, mit mir eine bequemere Methode zu finden, aber ich habe meinen Kopf durchgesetzt.
Mit Kissen auf dem Boden wollte Mom mir das Aufstehen leichter machen. Aber aus irgendeinem Grund entschied ich, bei meiner Version zu bleiben. Ich wollte lieber meine Stirn gegen die Wand schlagen und mich Zentimeter für Zentimeter nach oben kämpfen. Mein Dickkopf wurde zu meinem Markenzeichen.
Anders als mit dem Kopf war es damals nicht zu schaffen. Dafür hat mein Denkvermögen dadurch einen kräftigen Schub bekommen (Scherz!) und mir einen Nacken so stark wie ein Stier und eine Stirn so hart wie Stahl eingebracht. Natürlich machten sich meine Eltern immerzu Sorgen. Schon bei einem gesunden Kind kann Elternsein ja die reinste Schocktherapie sein. Viele frischgebackene Eltern sagen oft, sie wünschten, ihr Kind wäre mit einer Bedienungsanleitung gekommen. Aber selbst im dicksten Ratgeber „Mein Kind“ gab es kein Kapitel für Kinder wie mich. Und dennoch entwickelte ich mich hartnäckig weiter und wurde immer lebhafter. Ich näherte mich bedrohlich der Trotzphase und bescherte meinen Eltern mehr Kopfzerbrechen als Achtlinge.
Wie soll der Junge je selbstständig essen? Wie kommt er zur Schule? Wer soll sich um ihn kümmern, wenn uns einmal etwas passiert? Wie soll er jemals ein eigenständiges Leben führen?
Unsere intellektuellen Fähigkeiten können Segen und Fluch sein. Wer von uns hat nicht schon über seine Zukunft gegrübelt? Interessanterweise sind die meisten Probleme, vor denen wir uns fürchten, letzten Endes gar nicht so schlimm. Es ist durchaus nicht verkehrt, vorauszuplanen und über die Zukunft nachzudenken. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass sich die schlimmsten Befürchtungen in Wohlgefallen auflösen können. Und häufig wendet sich schließlich alles zum Guten.
Eine der größten Überraschungen meiner Kindheit war die Erkenntnis, wie viel ich mit dem kleinen Füßchen auf der linken Seite anstellen konnte. Instinktiv nutzte ich es zum Umdrehen, Vorwärtsschieben und Abstützen. Die Ärzte waren der Meinung, dass ich den kleinen Fuß vielleicht zu noch mehr gebrauchen konnte. Er hatte zwei Zehen, die allerdings zusammengewachsen waren. Auf Anraten der Ärzte beschlossen meine Eltern, sie operativ voneinander trennen zu lassen. Sie hofften, dass das Füßchen so zu einer Art Ersatzhand werden konnte, um etwa einen Stift zu halten, umzublättern oder andere feinmotorische Bewegungen auszuführen.
Damals lebten wir in Melbourne und hatten Zugang zur bestmöglichen medizinischen Versorgung. Trotzdem brachte ich auch hier das Klinikpersonal an seine Grenzen. Während man mich für die Operation vorbereitete, bat meine Mutter die Ärzte eindringlich, auf meine Körpertemperatur zu achten. Ich neigte nämlich zu Fieber. Sie hatte von einem anderen Kind ohne Arme und Beine gehört, das während einer Operation einen Hitzschlag
Weitere Kostenlose Bücher