Mein Mutiger Engel
Henkersschlinge hinterlassen hatte. Nur mit größter Willenskraft konnte Nick dem Drang widerstehen, sie wieder hinzulegen und sich die Kleider vom Leib zu reißen. Schließlich trug er sie in ihr eigenes Schlafgemach, legte sie in ihr Bett und entfernte sich.
In ihrem Traum ruhte Katherine auf schwarzem Samt und trank Champagner, während Nick sie mit einer Pfauenfeder streichelte. "Das kitzelt", murmelte sie. Beim Erwachen stellte sie fest, dass ihr eigenes Haar sie in der Nase kitzelte.
"Sind sie wach, Miss Katherine?", ertönte da die Stimme ihrer Zofe, die gerade die Vorhänge aufzog. "Wir haben heute herrliches Wetter."
Schläfrig setzte Katherine sich auf. Ihr schwirrte der Kopf von den unglaublichen Träumen, die sie die ganze Nacht über heimgesucht hatten. Dann sah sie, dass Jenny ungeduldig am Fußende des Betts wartete. "Was ist nach dem Souper geschehen? Der gnädige Herr sagte zu mir, ich könne schlafen gehen, weil er sich um Sie kümmern würde."
"Das hat er gesagt?" Mit einem Schlag war Katherine hellwach. Also hatte sie doch nicht bloß alles geträumt!
Jenny fieberte vor Ungeduld. "Werden Sie nun seine Gattin bleiben?"
"Nein. Nein, es ist nichts vorgefallen, was die Annullierung verhindern würde", erklärte Katherine mit Nachdruck. Ohne Rücksicht auf Jennys niedergeschlagene Miene begann sie, über die Ereignisse der vergangenen Nacht nachzugrübeln.
Ob irgendjemand beobachtet hatte, wie sie mit Nick den Ballsaal verließ? Und wenn ja, welche Folgen würde es nach sich ziehen? Nick galt bereits als Frauenheld, möglicherweise würde man über sein Tun lediglich missbilligend den Kopf schütteln. Was mich betrifft, überlegte sie, ich werde ohnehin bald abreisen. Da spielt es keine Rolle, was man hier von Miss Cunningham denkt.
Das Einzige, was sie zum Bleiben bewegen könnte, wäre ein Liebesgeständnis von Nick. Und wenn er ihr überhaupt je sagen wollte, dass er sie liebte, hätte er es mit Sicherheit gestern Abend getan.
Selbst in diesem Fall hätte sie sich reiflich überlegen müssen, ob sie wirklich seine Gattin bleiben konnte. Sie durfte nie vergessen, welchen Titel Nick eines Tages erben würde.
Obgleich er sie nicht liebte, hatte er ihr eine unvergessliche Nacht beschert, eine Nacht voller Zärtlichkeit und Wonne. Wenn sie ihn verließ, würde dies zwar nicht seine Gefühle, wohl aber seinen Stolz verletzen. Dabei stand sie tief in seiner Schuld und wusste nicht, wie sie ihm je für alles danken sollte, was er für sie getan hatte.
Katherine schwang die Beine aus dem Bett. Eines stand fest, sie wollte Nick nicht beim Frühstück begegnen. Je früher sie hinunterging, desto besser. "Wie spät ist es, Jenny?"
"Halb neun, Miss Katherine."
Nick pflegte nicht früh aufzustehen, daher lief sie keine Gefahr, ihn um neun Uhr unten anzutreffen. Und nach dem Frühstück konnte sie sich in eine stille Ecke der Langen Galerie zurückziehen und in aller Ruhe nachdenken.
Zu ihrer Überraschung befanden sich Robert und Roderick Graham im Frühstückszimmer. Beide wirkten etwas erschöpft, doch sie erhoben sich, als Katherine eintrat.
Bald darauf standen sie erneut auf, da der Duke erschien. Er wirkte so frisch und munter, als sei er fünfzig Jahre alt und habe den vergangenen Abend lesend vor dem Kamin verbracht.
"Guten Morgen, Miss Cunningham. Mr. Graham. Robert, wo steckt dein Bruder?"
"Ich nehme an, er frühstückt auf seinem Zimmer."
"Hmm." Der finstere Blick des alten Herrn blieb an Katherine hängen.
"Vielleicht ist Lord Seaton kein Frühaufsteher, Euer Gnaden", wagte sie zu sagen.
"Unfug. Ich halte nichts von diesen modernen Angewohnheiten." Nachdem der Duke mit seinem Teller Platz genommen hatte, begann er sich aufs Höflichste mit dem eingeschüchterten Mr. Graham zu unterhalten. Am Ende des Frühstücks verließ dieser hastig und offensichtlich erleichtert mit Robert das Zimmer.
Katherine betrachtete den Duke etwas genauer. Hinter seiner aufrechten Haltung, seinen gestrafften Schultern und seinem ruhigen, stolzen Gesichtsausdruck sah sie einen alten Mann. Einen müden, traurigen alten Mann, für den sie Mitleid empfand. Doch was konnte sie tun, um ihm zu helfen?
Plötzlich kam ihr eine Idee. Wenn es ihr nun gelänge, Nick wieder mit seinem Vater zu versöhnen? Einen besseren Dienst konnte sie ihrem Gatten nicht erweisen. Nur so konnte sie ihre Liebe zum Ausdruck bringen, auch wenn er nie von ihren Bemühungen erfuhr.
Sie erhob sich gleichzeitig mit dem Duke. "Euer
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