Mein Mutiger Engel
unangemeldetes Kommen verhieß nichts Gutes.
"Wie Sie wünschen, Mylady. Durren, fahren Sie Ihre Ladyschaft zum Durham Ox. Und warten Sie drinnen auf sie."
Sobald sie den Gasthof erreichten, begriff Katherine Herons Bedenken. Es handelte sich um einen kahlen, schäbigen Ort, der auf Katherine einen üblen Eindruck machte.
Der Wirt gab sich mürrisch, bis Katherine kühl die Augenbrauen hochzog und forderte, zu Mr. Cunningham geführt zu werden. "Im Hinterzimmer, Miss", brummte er, wobei er mit dem Daumen die Richtung wies.
"Ich warte im Schankraum", verkündete Durren. "Es sei denn, Sie wünschen, dass ich Sie begleite, Maam."
"Nein, vielen Dank, Durren, ich werde rufen, falls ich Sie brauche", erklärte Katherine. Dann öffnete sie die Tür zum Hinterzimmer.
"Geh jetzt zu Katherine." Der Duke legte seinem älteren Sohn die Hand auf die Schulter. "Höchste Zeit, dass du diese Farce beendest."
Nachdenklich sah Nick seinem Vater in die Augen, die den seinen so sehr ähnelten. Soweit er sich erinnern konnte, hatte er sich nur ein einziges Mal in seinem ganzen Leben so aufgewühlt und unsicher gefühlt, und zwar vor sechs Jahren, als er beschloss, sein Erbe aufzugeben, sein Zuhause und seine Familie zu verlassen. Ohne die Frau, die er damals zu lieben glaubte.
Er legte seinerseits dem älteren Mann die Hand auf die Schulter. Ganz gleich, was geschah, das neu entstandene herzliche Verhältnis zu seinem Vater konnte ihm niemand mehr nehmen. Und das hatte er Katherine zu verdanken. "Ja, das werde ich", sagte er.
Heron näherte sich ihm, als er aus dem Zimmer trat. "Mylord, darf ich Sie sprechen?"
"Später, Heron. Ich muss zu Ihrer Ladyschaft."
"Was ich Ihnen zu sagen habe, betrifft Ihre Ladyschaft, Mylord. Sie ist weggefahren."
"Weggefahren? Wann?"
"Vor etwa einer halben Stunde, Mylord. Ohne ihre Zofe." Er zögerte. "Ein Bote hatte einen Brief für sie gebracht, von einer Person, die im Durham Ox logiert."
"Was für eine Person?"
"Das weiß ich nicht, Mylord. Sie wirkte besorgt, aber da sie ohnehin bereits verstört zu sein schien, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob es an dem Brief lag."
"Lady Seaton war verstört? Wissen Sie, weswegen?"
Heron schaute verlegen drein. "Ich entdeckte sie im Flur, als ich nach ihr suchte. Sie hatte mich wahrscheinlich nicht bemerkt, da ich gerade erst um die Ecke gebogen war und dieses Ende des Korridors ein wenig im Dunkeln liegt. Vor der Tür zur Bibliothek hielt sie plötzlich inne, als hätte sie von drinnen etwas vernommen. Sie lauschte einen Moment lang, dann legte sie bestürzt die Hand vor ihren Mund und kam mit Tränen in den Augen auf mich zu."
Die Tür war nur angelehnt gewesen, das wusste Nick. Worüber hatten er und sein Vater gesprochen, dass Katherine so verstört reagierte? Mit einem Mal wurde ihm klar, wie leicht ihr Gespräch über Arabella missverstanden werden konnte, besonders wenn man nur einen Teil davon mit anhörte.
Was genau hatte er gesagt? Er habe schon damals erkannt, dass Arabella nicht die Richtige für ihn sei, doch er habe sich verpflichtet gefühlt, sie zu heiraten. Auch an die Antwort seines Vaters konnte er sich deutlich erinnern. Miss Somersham war ein durchaus sympathisches Mädchen, aber in keiner Weise für die Rolle deiner Gattin geeignet. Ich glaube, das wusstest du selbst von Anfang an, aber da du ihr einmal dein Wort gegeben hattest, gestattete deine Ehre es dir nicht, dich von ihr zu trennen. Falls Katherine den Namen nicht verstanden hatte, konnte sie seine Worte ohne weiteres auf sich bezogen haben.
"Ihre Ladyschaft begann einen Satz", meldete Heron sich wieder zu Wort, "aus dem ich schloss, dass der Brief möglicherweise von ihrem Bruder kam."
"Zum Teufel!", stieß Nick leise hervor. "Danke, Heron."
Entschlossenen Schrittes eilte er zur Eingangshalle und stürmte zur Tür hinaus, als Robert gerade auf Xerxes vorbeiritt. Prompt bäumte der Hengst sich auf, sodass Robert um ein Haar gestürzt wäre. Nur mit Mühe gelang es ihm, das Pferd zu bändigen, wobei er einen Schwall von Flüchen von sich gab, die sich für einen Anwärter auf das Priesteramt ganz und gar nicht schickten.
Nick griff nach den Zügeln. "Runter mit dir, Robert. Ich brauche ihn."
"Warum?", fragte Robert, während er abstieg. "Stimmt etwas nicht?"
"Katherine ist weggelaufen", erwiderte Nick knapp. Dann schwang er sich in den Sattel und preschte in gestrecktem Galopp davon.
"Wie dünn du aussiehst, Phil!" Als Katherine ihren Bruder umarmte, stellte
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