Mein Mutiger Engel
auf.
Sie hatte die Kühnheit besessen, den Duke dafür zu tadeln, dass sein Stolz ihn und seinen geliebten Sohn entzweite. Wollte er vielleicht darauf hinaus? Wollte er sie auf ihren eigenen Stolz hinweisen, der sie und Nick entzweite? Ein beschämender Gedanke. Sie hatte stets gegen Nicks Stolz angekämpft, gegen sein Ehrgefühl, das sie für den wahren Grund hielt, weshalb er ihre Ehe aufrechterhalten wollte. Dabei stellte ihre Haltung das eigentliche Hindernis dar.
Der Duke ermutigte sie dazu, ihre Gefühle zu prüfen – bedeutete das etwa, dass er ihre Verbindung nicht missbilligte? Wie sollte sie seine Worte anders deuten?
Was sträube ich mich noch, wenn der Duke sein Einverständnis gibt und Nick alles tut, um die Annullierung zu verhindern? Ich liebe meinen Gatten. Indem ich mich von ihm abwende, verletze ich seine Ehre und seinen Sinn für Anstand. Mag sein, dass er mich unter anderen Umständen nicht zur Braut gewählt hätte … aber ich kann ihn glücklich machen, und eines Tages wird er vielleicht lernen, mich zu lieben.
Von einem berauschenden und zugleich Furcht erregenden Glücksgefühl ergriffen, sprang Katherine auf und eilte die Lange Galerie entlang. Sie wollte vor der Bibliothek warten, bis Nick herauskam. Dann würde sie ihm sagen, dass sie seine Gattin bleiben wollte, falls er es noch wünschte.
Kurz vor der Bibliothek verlangsamte sie ihre Schritte und näherte sich würdevoll der Tür, die nur angelehnt war.
Durch den Spalt vernahm sie nun Nicks Stimme, zuerst deutlich, dann leiser. Offensichtlich ging er gerade auf und ab.
"… verpflichtet gefühlt, sie zu heiraten. Was blieb mir anderes übrig? … das Beste daraus zu machen …" Katherine blieb wie angewurzelt stehen.
Für eine Weile drang nur leises Gemurmel an ihr Ohr, da anscheinend beide Männer im Zimmer umhergingen. Dann hörte sie den Duke sagen: "… durchaus sympathisches Mädchen, aber in keiner Weise für die Rolle deiner Gattin geeignet … das wusstest du selbst von Anfang an … gestattete deine Ehre es dir nicht, dich von ihr zu trennen …"
Katherine lief blindlings weiter den Flur entlang. Der Duke hatte nicht ohne Mitgefühl von ihr gesprochen, aber sein bestimmter Ton verbot ihr ein für alle Mal, Nicks Wünschen nachzugeben. Unter keinen Umständen wollte sie der Anlass für einen weiteren Zwist zwischen ihm und seinem Vater sein. Wie konnte sie die Abschiedsworte des Dukes nur so falsch deuten? Vielleicht hatte er sie nur durch die Blume zurechtweisen wollen.
Da kam Heron mit einem Tablett auf sie zu. "Gerade ist ein Brief für Sie eingetroffen, Mylady. Der Bursche des Durham Ox hat ihn überbracht."
Trotz ihres Kummers verspürte sie eine gewisse Neugier, während sie den Umschlag nahm. Als ihr Blick auf die Adresse fiel, erstarrte sie. Dies war unverkennbar Philips Handschrift! Hastig brach sie das Siegel auf und überflog den Brief.
Katy, ich befinde mich hier im Durham Ox. Bitte komm, ich muss dich dringend sprechen. Dein dich liebender Bruder Philip.
War seine Rückkehr nach England nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Noch hoffte sie, dass er endlich Vernunft angenommen hatte und ein neues Leben beginnen wollte, doch sein undeutliches Gekritzel ließ das Schlimmste befürchten. Er musste ihre Adresse von Arthur erfahren haben.
"Heron, ich brauche ein Gig und einen Stallburschen, der mich unverzüglich zu diesem Gasthof fährt."
"Mylady, Seine Lordschaft …"
"Mylord spricht gerade mit dem Duke und darf nicht gestört werden. Mein Bru… … man erwartet mich dringend im Durham Ox."
"Sehr wohl, Mylady."
Katherine läutete nicht nach Jenny, sondern machte sich allein ausgehbereit. Als sie nach ihrem Reticule griff, zögerte sie kurz. Nach ihren verschwenderischen Ausgaben für den Ball enthielt ihre Börse nur noch wenige Münzen. Seufzend holte sie den letzten Rest des Betrags, den Mr. Wilkinson ihr gegeben hatte, aus der Schublade ihres Frisiertischs. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn Philip nicht Geld bräuchte.
Heron wartete in der Eingangshalle, als sie herunterkam. "Das Gig steht draußen bereit, Mylady, aber sind Sie auch sicher, dass Sie nicht lieber auf Seine Lordschaft warten sollten?"
"Ganz sicher, danke, Heron", erwiderte Katherine fest, obwohl sie sich in Wirklichkeit alles andere als zuversichtlich fühlte. Sie sehnte sich nach einem Wiedersehen mit ihrem Bruder. Kein Tag war vergangen, ohne dass sie sich Sorgen um ihn machte und sich fragte, wie es ihm ging. Doch sein
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