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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Partien...«
    Er wußte von der Erbschaft noch nichts, und ich hatte keine Veranlassung, ihm etwas davon zu erzählen. Womöglich startete er auf die Erbschaft hin bei mir noch einen Pumpversuch...
    Mochte er die Geschichte von meinen Eltern erfahren, wenn ich mit Gertrud aus seiner Reichweite war.
    »Du, Hermann«, stieß Onkel Ferdinand mich an, als wir uns der Wohnung meiner Eltern näherten, »es wäre mir lieber, wenn du deinen alten Herrschaften von dieser Schweinerei mit Graser und Schmischke nichts erzählen würdest. Es ist immerhin nicht gerade eine Heldenrolle, die ich dabei spiele. Und deine Mutter hat so eine komische Art, die Dinge zu betrachten...«
    »Selbstverständlich halte ich den Mund, wenn es dir lieber ist«, nickte ich ihm zu.
    »Es ist mir lieber!« sagte er beruhigt.
    Den Eltern kam Onkel Ferdinands Besuch ebenso überraschend wie mein neuerlicher Entschluß zu verreisen. Aber ich hatte sie ja in letzter Zeit an Überraschungen gewöhnt. Ich überließ Onkel Ferdinand mein Abendessen — Rühreier mit Schinken — und wünschte ihm viel Erfolg und verabschiedete mich von daheim, nachdem ich ein wenig Wäsche und mein Badezeug in den kleinen Koffer gepackt hatte.
    Im Autoverleih >Beim sonnigen Emil< entdeckte ich ein sehr hübsches Cabrio, einen roten Zweisitzer mit schwarzen Lederpolstern und garantiert guten Fahreigenschaften, in dem ich eine Viertelstunde später laut hupend und mit eleganter Kurventechnik in die Kalendergasse einbog und vor Gertruds Laden bremste. Auch Tante Otti fand das Cabrio wunderschön.
    »Fahrt vorsichtig und bleibt recht brav!« rief sie uns nach und winkte, bis wir um die Ecke verschwanden.
    Wir tauften das Cabrio am Abend auf den Namen Jolli, und Jolli trug uns zwei Tage lang, vor Diensteifer und Liebenswürdigkeit summend, ohne Panne und ohne heimliche Tücken zu den hübschesten Plätzen und stillsten Gasthöfen um den Bodensee herum bis nach Liechtenstein. Er war so treu und brav, daß Gertrud dem Jolli, als wir ihn schließlich wieder >Beim sonnigen Emil< abliefern mußten, die verstaubte Kühlerhaube streichelte und ihm feierlich versprach, ihn aus der Sklaverei freizukaufen, sobald die erste Erbschaftsrate aus Melbourne einträfe.
    Den Sonntagabend verbrachten wir mit Tante Otti bei meinen Eltern. Vater hatte eine süffige Erdbeerbowle angesetzt, und wir tranken sie in der gemütlichen Ecke seines Arbeitszimmers. Mutter hatte ein Album mit Familienfotos vor sich auf dem Tisch liegen und stellte Tante Otti und Gertrud die ganze Martin- und Danckelmannsippe in Wort und Bild vor. Ich ließ mir von Vater, der etwas gegen das Zigarettenrauchen hatte, eine von seinen blonden Zigarren aufschwatzen und erzählte ihm von unserem Ausflug an den Bodensee.
    »Ach, und da ist ja auch Onkel Ferdinand!« hörte ich Gertrud rufen. »Wahnsinnig komisch, diese Röhrenhosen und der Gehrock...«
    »Ja, das ist er allerdings...«, sagte meine Mutter und blätterte rasch im Album weiter.
    »A propos, Ferdinand«, ließ sich mein Vater vernehmen, »wenn ich von dir nicht wüßte, Hermann, daß er jetzt in geordneten Verhältnissen lebt, hätte ich ihm am Freitag — als ihr abgefahren seid — den Scheck nicht abgenommen.«
    »Was hast du ihm abgenommen?« fragte ich, da ich nur mit halbem Ohr zugehört hatte und mit den Augen bei Gertrud gewesen war. Sie sah zum Anbeißen hübsch aus. Die Fahrt im offenen Wagen hatte ihr Gesicht so dunkel gebräunt, daß die Zähne doppelt so weiß wie sonst zwischen den Lippen aufblitzten.
    »Einen Scheck über dreihundert Mark. Du weißt doch selbst, daß er es sehr eilig hatte, nach Frankfurt zu kommen, um dort irgendeinen Einkauf abzuschließen. Er hatte nur zweihundert in bar bei sich, und die Banken waren schon geschlossen.«
    »Du hast ihm den Scheck honoriert?«
    »Ja, warum auch nicht, er ist ja sicher.«
    »Hast du den Scheck schon eingelöst?«
    »Nein, noch nicht, und außerdem war die Bank ja am Samstag geschlossen. Aber warte, da fällt mir ein, daß Onkel Ferdinand dir einen Brief hinterlassen hat. Bemüh dich selbst, mein Junge, er muß irgendwo rechts auf meinem Schreibtisch liegen...«
    Ich stand ahnungsvoll auf und sah, daß auch Gertrud sich von ihrem Sessel erhob. Ein Blick genügte uns zur Verständigung. Ich öffnete den an mich adressierten sorgfältig zugeklebten Umschlag und las, während Gertrud den Brieftext über meine Schulter hinweg mitverfolgte:

    Mein lieber Neffe Hermann!
    Weiß der Teufel, wie lange es dauern

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