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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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hätte es mir mit meinen Einkünften jemals einfallen lassen, um ein Mädchen zu werben, hinter dem solch ein Vermögen steht? Begreift ihr denn nicht, daß ich auch nicht den geringsten Ehrgeiz habe, so etwas wie ein Prinzgemahl zu werden?«
    Ich war noch lange nicht am Ende, aber in eine Atempause hinein hörte ich meinen Vater sagen: »Wahrhaftig, der Junge hat recht... Daran habe ich allerdings nicht gedacht...«
    »Wie?!« schrie meine Mutter empört, »du unterstützt Hermann noch in seinen verrückten Ansichten? Weshalb sollen sie nicht heiraten, wenn sie sich doch lieben? Ich habe auch ein Vermögen von siebzigtausend Mark in die Ehe mitgebracht, und das war dir sehr angenehm, Georg! Oder hast du dich dagegen gesträubt? Ich habe jedenfalls nicht die Bohne davon gemerkt!« Mutter kicherte höhnisch. »Ihr seid beide Narren, du und der Junge! Ihr könntet höchstens ausknobeln, wer der größere Narr von euch beiden ist...«
    »Mathilde!« rief mein Vater und bewegte die Hand, als schwänge er eine Glocke, um Mutter Schweigen zu gebieten, »den Narren verbitte ich mir! Ich verbitte mir ihn ganz energisch! Das wirst du sofort zurücknehmen!«
    Aber Mutter trommelte mit der Faust auf den Tisch, was sie, solange ich lebe, noch nie getan hatte.
    »Nichts nehme ich zurück! Kein Wort! Im Gegenteil, ich bleibe dabei, solange ihr euch wie die Narren benehmt!«
    Ich stand plötzlich abseits und überließ es meinem Vater, meinen Standpunkt vor Mutter weiter zu vertreten. Gott sei
    Dank, er wenigstens hatte mich begriffen. Ich warf mich in meinem Zimmer über das Bett, erschöpft wie nach einer schweren körperlichen Anstrengung. Die Stimmen meiner Eltern drangen noch lange durch die dünnen Zwischenwände unserer Wohnung. Sie schienen ernsthaft aneinandergeraten zu sein.

14

    Irgendwann schlief ich ein, und ich schlief sogar tief und lange. Als ich erwachte, spürte ich nur noch den galligen Nachgeschmack der großen Bitterkeit des vergangenen Abends. Ich empfand keinen Zorn mehr, sondern nur noch eine Befriedigung darüber, daß der Entschluß, den ich gestern gefaßt hatte — mochte er auch ohne lange Überlegungen und völlig spontan aus dem Gefühl heraus zustande gekommen sein —, der einzig richtige war. Daß ich mich von Gertrud trennen mußte, hatte nichts mit meinen Gefühlen für 6ie zu tim. Ebensowenig war der Entschluß, mich von ihr zu trennen, eine Sache des Anstandes oder einer muffigen Bescheidenheit. Es konnte sich auch nicht darum handeln, die Entscheidung ihr zu überlassen, ob sie die Bindung aufrechterhalten wollte oder nicht. Es war eine Forderung der Vernunft, daß ich es war, der in dieser Sache das entscheidende Wort zu sprechen hatte.
    Und ich mußte fest bleiben, auch dann, wenn Gertrud versuchen sollte, mich davon zu überzeugen, daß ich ein Idiot sei. Wahrscheinlich war es nicht einmal allzu schwierig, mich für einen Narren zu halten. Sie konnte mir zum Beispiel entgegenhalten, daß ich es ja wahrhaftig nicht des Geldes wegen tat, als ich ihr zum ersten Male gestand, daß ich sie liebe...
    Zugegeben! Aber nun sei einmal ganz ehrlich, Mädchen: hättest du dich ausgerechnet mit dem kleinen Chemiker Hermann Martin verlobt, wenn du etwas von der Erbschaft gewußt hättest?
    Ah, sieh einmal an! Ich habe deine Antwort nämlich erwartet. Selbstverständlich hättest du dich mit mir verlobt.
    Aber nun höre gut zu, was ich dir jetzt erkläre. Ich muß dir nämlich sagen, daß ich in diesem Falle auch nicht im Traume daran gedacht hätte, mich dir zu nähern. Nicht etwa aus Ehrfurcht vor deinem Geld! Sondern aus reiner Selbstachtung. Jawohl! Denn ich will mehr sein als der Mann einer reichen Frau. Und ich hoffe, daß du diesen Grund anerkennen wirst.
    Minna klapperte mit dem Kaffeegeschirr an meinem Zimmer vorüber. Ich fürchtete mich vor dem gemeinsamen Frühstück mit den Eltern, vor Mutters Versuchen, mich >zur Vernunft« zu bringen, und noch mehr davor, daß es ihnen einfallen könnte, aus lauter Taktgefühl zu schweigen und so zu tun, als ob überhaupt nichts geschehen wäre. Aber mein Vater überbrückte in seiner ruhigen und gescheiten Art die peinliche Situation sogleich nach dem Gutenmorgengruß.
    »Weißt du, mein Junge«, sagte er und legte sich dabei eine Scheibe abgekochten Schinken auf die halbe Semmel, »Mutter ist ja nicht ganz unserer Ansicht, und es wird auch schwer sein, sie zu bekehren — aber wir haben uns darauf geeinigt, dir nicht dreinzureden und dir die Entscheidung

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