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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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zerrten ihn gemeinsam ein wenig zur Seite, wo nicht so viel Betrieb war wie vor dem Haupteingang. Ein Bahnpolizist beobachtete uns schon seit einiger Zeit mißtrauisch.
    »Graser und Schmischke, die beiden Lumpen...«
    »Wie, deine Freunde Graser und Schmischke?«
    »Freunde...!« keuchte Onkel Ferdinand mit rollenden Augen, »hör mir davon auf! Mit den zwanzig Mille von Köberles in Dortmund und mit meinen fünftausend sauer verdienten Kröten sind die Schweinehunde durchgegangen. Und wenn ich nicht zufällig zweihundert Eier in der Brieftasche zurückbehalten hätte, dann stände ich blank und ausgepowert bis aufs Hemd da. Kurz vor Schalterschluß haben die Gauner das Bankkonto ratzeputze abgehoben und sind getürmt. Aber sie können noch nicht weit sein!«
    Er wollte wieder zur Sperre stürzen, aber wir hielten ihn mit vereinten Kräften zurück, und ich schob ihm den Hut gerade auf den Kopf, während Gertrud sich um den Sitz von Onkel Ferdinands Krawatte bekümmerte.
    »Alles futsch — alles hin!« murmelte er zerbrochen.
    »Was willst du jetzt unternehmen?« fragte ich.
    »Was sonst, als den Gangstern nachsetzen! Ich muß nur herauskriegen, wohin die Kerle gefahren sind. Aber der Trottel am Schalter kann sich auf nichts besinnen...«
    »Vielleicht versuchst du es einmal nicht mit Gebrüll, sondern auf die sanfte Tour und mit einer Packung Zigaretten«, schlug ich ihm vor.
    »Wie sahen die beiden aus?« fragte Gertrud plötzlich.
    »Wie sollen sie schon ausgesehen haben«, antwortete Onkel Ferdinand mit einer hoffnungslosen Handbewegung. »Graser, das ist ein kleiner Dicker, er trägt immer blaue Anzüge und einen grauen Homburg. Und der andere Gauner ist lang und blaß, er schnüffelt beim Sprechen wie ein Kaninchen und hat lauter goldene Zähne, und manchmal zuckt er mit dem rechten Auge...«
    »Das genügt«, sagte Gertrud. Ich mußte ihr meine Zigaretten abliefern, immerhin gestattete sie großzügig, daß ich mir aus der noch fast vollen Packung eine anzündete. Dann ging sie, und Onkel Ferdinand blickte ihr nach, als erwarte er von ihr nun doch noch ein Wunder. Und das Wunder geschah. Gertrud kam nach kaum zwei Minuten zu uns zurück. Ja, sie konnte betörend sein, wenn sie wollte. Ich hatte es am eigenen Leib erfahren.
    »Die beiden sind nach Frankfurt gefahren, mit dem gleichen Zug, den Mister Graham genommen hat...«
    »Graham?« fragte Onkel Ferdinand, »der Name kommt mir doch irgendwie bekannt vor...«
    »Das ist eine andere Geschichte«, sagte ich und gab Gertrud einen heimlichen Renner.
    »Ist mir auch völlig wurscht«, murmelte Onkel Ferdinand, »ich muß mich jetzt erkundigen, wann der nächste Zug geht.«
    »Kurz nach sechs«, antwortete Gertrud.
    »Ich kriege die Schufte!« schwor Onkel Ferdinand, »ich kriege sie, so wahr ich hier stehe! Und dann sollen die Brüder mich kennenlernen!« Er bewegte die Hände, als drehe er sie um einen Hals.
    »Warum nicht einfacher?« meinte ich. »Die nächste Polizeiwache liegt neben dem Bahnhofsgebäude. Du brauchst nur hinzugehen und zu bitten, daß man deine Geschäftspartner in Frankfurt in Empfang nehmen soll.«
    »Polizei...«, murmelte Onkel Ferdinand und schob die Wange mit der Zunge heraus, als hätte er einen zähen Bissen im Munde, »nee, lieber nicht. Die Brüder stellen mehr dumme Fragen, als zehn Weise beantworten können. Wozu Polizei? Die Sache nehme ich selber in die Hand.«
    »Wie du willst. Und was tust du jetzt?«
    »Warten, bis der nächste Zug geht. Was bleibt mir schon anderes übrig?«
    »Du hast noch zwei Stunden Zeit. Wenn du Lust hast, dann komm mit mir heim. Gertrud fährt jetzt mit der Trambahn nach Hause. Sie hat einiges zu packen. Wir beide wollen nämlich verreisen. Es sind meine letzten Urlaubstage.«
    »Wohin?« fragte Ferdinand hoffnungsvoll.
    »Nicht nach Frankfurt!« antwortete ich deutlich. Er bekam es womöglich fertig, uns beide für seine Gangsterjagd einzuspannen.
    Wir verließen den Bahnhof, und Gertrud verabschiedete sich von uns, als ihre Straßenbahn kam.
    »Warte daheim auf mich«, bat ich, »ich hole dich in spätestens einer Stunde ab.«
    »Und, nimm einen hübschen Wagen, wenn du es erschwingen kannst«, flüsterte sie mir zu.
    »Den hübschesten, den ich finde«, versprach ich.
    »Ein verdammt leckeres Mädchen!« sagte Onkel Ferdinand beifällig, als Gertrud in die Trambahn einstieg, »Beinchen wie Weinchen... Und eine Leihbücherei... Es ist nicht viel, aber der Mensch freut sich. Es gibt noch schlechtere

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