Mein schwules Auge
mich nie spüren lassen.
Ich liege neben dir, ein knisterndes, frisches Laken unter unseren nackten Körpern, und ich kann meine Augen und meine Hände nicht von dir nehmen. Fasse dich. Versinke. Streichle dich. Kühl und stumm lässt du die Berührungen über dich ergehen, starrst nach oben an die Decke. Fast gleichgültig. Ein Zipfel Junimorgensonne wirft quadratische Flecken auf die Kopfkissen und der Staub tanzt im Licht wie Motten um eine Straßenlaterne. Was hätte ich nicht alles getan, um dich zu halten.
Ich.
Wie ein vom Spielen übermüdetes Kind habe ich dich ins Bad getragen und deinen wilden Haarschopf vom Gel befreit. Eben noch erstarrt zu einem aufgewühlten Meer vor dem Sturm, fließen deine dichten, dunklen Locken nun als murmelnder Gebirgsbach durch meine Finger. Wie feiner, leichter Sommerregen. Ich sauge den Geruch deiner Haare auf, vergrabe mein nasses Gesicht unter Schwarz und fühle mich beinahe high. Du nimmst es widerspruchslos hin – endlich.
Der Rauch meiner Zigarette kräuselt sich, schwebt langsam nach oben und wabert eine Weile unentschlossen durch den Raum, bevor er sich durch das geöffnete Fenster auf den Weg nach draußen macht. Sieh mich an: Ich rauche! Wie eine Furie hast du dich auf mein Laster gestürzt, mir das Nikotin verboten, die glimmenden Stängel aus dem Mund gerissen und sie wütend ausgedrückt. Und jetzt? Keine Regung huscht über dein Gesicht. Nichts. Mein Mund verzieht sich zu einem traurigen Lächeln.
Meine Finger streichen zitternd über deine blassen Wangen, erkunden ehemals bekanntes Land, das mir mit den Jahren fremd geworden ist. Es ist lange her, dass wir uns so nah waren. So lange. Andere haben zwischendurch ihre Hände an dein Gesicht gehalten, deine Lippen geküsst, dich umarmt. Du warst freizügig mit deiner Liebe, viel mehr als ich. Ich habe dich vermisst. Ich wünschte, du würdest etwas sagen.
Du.
Im Hintergrund fließt Musik aus dem Lautsprecher der Hifi-Anlage, kriecht über den Boden hinauf in unser Bett, lullt mich ein … Are you going to Scarborough Fair? Parsley, Sage, Rosemary and Thyme. Remember me to the one who lives there … Die Musik meiner Eltern, irgendwie hat unsere Generation nichts Vergleichbares geschaffen. Manchmal denke ich, dass wir damals eine Chance gehabt hätten, du und ich. Damals hat Liebe noch etwas bedeutet, oder? Heute ist alles flüchtig: Hass, Liebe, Sex, Eifersucht, alles ist austauschbar, egal. Das nächste Gefühl steht schon bereit eine Ecke weiter. Wir wären zu etwas Großem fähig gewesen, aber du wolltest lieber klein sein. Antworte mir! Hör auf, dich taub zu stellen!
Der Flaum auf deinem Oberarm stellt sich auf, wenn ich sachte darüberblase, feine Haare, die sich wiegen wie Halme im Wind. Mit meinem Zeigefinger zeichne ich die Kontur deiner Tätowierung nach, ein Widderkopf mit zwei gekrümmten Hörnern. Dein Sternzeichen. Es passt zu dir. Mit dem Kopf durch die Wand, selbstgerecht, egoistisch. Und doch habe ich dich so geliebt, dass es mir Schmerzen bereitet hat. Verstehst du? Ich konnte nicht anders. Du wärst gegangen. Du bist gegangen.
Wir.
Meine Zunge fährt sachte über deine Nippel, langsam, betörend, so, wie du es gern gehabt hast. Die Seufzer, die ich dir damit entlocken konnte! Doch es war nicht genug. Ich war nicht genug. Ich kuschle mich an deine Flanke, versuche, mich ein letztes Mal an dir zu wärmen, sehne die Geborgenheit herbei, die ich in deinen Armen gefunden und verloren habe. Du. Warum fehlst du mir selbst in deiner Nähe?
Jemand kommt die Treppe herauf und klingelt, ein durchdringendes, hässliches Geräusch. Er ruft deinen Namen. Ängstlich. Fordernd. Einer deiner vielen Lover? Ich werde nicht öffnen. Es ist zu früh. Niemand weiß, dass ich bei dir bin – du hast es mir gesagt gestern Abend. Ich bin ein Schatten aus deiner Vergangenheit, ein peinlicher Besucher, dessen Anwesenheit besser verschwiegen wird. Die Schritte entfernen sich wieder. Ich atme auf. Ein wenig Zeit bleibt mir noch.
Meine Hand fährt weiter das Relief deines widerstandslosen Körpers entlang, sanft, vorsichtig, ich will dich nicht erschrecken. Meine Finger umfassen deine Eier, deinen Schwanz. Ich war ihm verfallen, deinem Schwanz, wie ein Junkie seiner Droge verfallen ist, konnte ich nicht ohne ihn leben. Niemand hast mich so gut gefickt wie du. Das vermisse ich auch.
Aber mehr noch als das fehlen mir deine Augen, in die ich nur zu blicken brauchte, um zu wissen, dass ich zu Hause bin. Fehlen mir
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