Mein Tag ist deine Nacht
dass ich kalt, steif und unglücklich in meiner Wohnung lag. Ich streckte meine verkrampften Glieder und blickte auf die Uhr. Es war zehn Uhr vormittags.
Ich legte meinen Kopf in die Hände und fragte mich, ob es irgendeine Möglichkeit gab, Grant vor Jasons Plänen zu warnen, doch dann wurde mir bewusst, dass nur ich den Mittwoch noch nicht erlebt hatte. In Grants und Laurens Leben hatte der Unfall bereits stattgefunden, und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte, egal, wie sehr ich es mir auch wünschte.
Ich saß da wie ein Häufchen Elend. Mein Leben als Lauren war auf den Kopf gestellt worden, und in diesem Bewusstsein – als Jessica – hatte ich den Mann, den ich von ganzem Herzen liebte, vergrault.
Ich schleppte mich ins Bad und wollte Wasser in die Wanne einlaufen lassen, doch war der Boiler in der Nacht anscheinend ausgegangen, und es floss kein heißes Wasser aus den Hähnen. Meine Kleidung war von dem langen Marsch heimwärts im Regen immer noch feucht, und das Haar hing mir in Strähnen herunter. In der Wohnung war es so still, dass mich sogar das Ticken der Uhr nervte.
Ein Blitzstrahl erhellte den grauen Himmel, und ich lauschte dem Donner, zählte im Kopf automatisch mit. Drei Sekunden. Das Gewitter musste einige Meilen entfernt sein.
Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer blickte ich auf die Matte vor der Wohnungstür. Keine Nachricht von Dan. Karen hatte sich also geirrt, er hatte nachts nicht an meine Tür gehämmert. Aber in einem Punkt hatte sie recht gehabt, dachte ich, während ich die Ereignisse der vergangenen Nacht noch mal Revue passieren ließ. Ich war mir bezüglich Dans Reaktion so sicher gewesen, dass ich ihm eigentlich keine Chance gegeben hatte, das zu verarbeiten, was ich ihm erzählt hatte. Ich war damit herausgeplatzt und hatte mich dann einfach davongestohlen.
Ich begriff, dass ich es ihm schuldig war, ihm auf vernünftigere Weise zu erklären, was mir zugestoßen war, und ihm eine Chance zu geben, darüber zu reden.
Ich nahm meine Autoschlüssel und lief durch den strömenden Regen zu meinem Wagen. Ich musste unbedingt mit Dan sprechen.
In wenigen Minuten war ich bei ihm, parkte, rannte die Zufahrt hinauf und klopfte an seine Haustür.
Nach ein paar Minuten war mir klar, dass ich ihn verpasst hatte, und da ich nicht wollte, dass sein Vater meinetwegen aufstand, ging ich zum Wagen zurück und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Es hätte mich sehr überrascht, wenn Dan nach dem, was zwischen uns vorgefallen war, zur Arbeit gegangen wäre. Wenn er nicht zu Hause war, dann ging er vielleicht mit den Hunden spazieren, trotz des Regens. Wenn das der Fall war, dann wusste ich vielleicht, wohin er gegangen war.
Ich raste den Weg zurück, aus Epsom hinaus und hoch zu den Downs. Ich parkte auf demselben Parkplatz wie vor zwei Wochen und schüttelte den Kopf angesichts der Erkenntnis, wie viel mir in dieser kurzen Zeitspanne widerfahren war. Ich legte die Arme um meinen schlotternden Körper und marschierte los. Der Regen war eiskalt, und ohne dass ich in einen Spiegel zu schauen brauchte, wusste ich, dass meine Lippen inzwischen eine dunkellila Farbe angenommen haben mussten. Die Bäume am Horizont, vor einer Woche noch so schön anzuschauen in ihrem Herbstkostüm, wirkten unter dem Angriff des trommelnden Regens traurig und angegriffen, und das niedergedrückte Gras erinnerte an den grauen Glanz eines sich wälzenden Ozeans.
Nachdem ich dem Pfad ein paar Minuten gefolgt war, sah ich plötzlich einen kleinen Hund auf mich zusausen.
»Frankie!«
Sie bellte entzückt auf und versuchte, an mir hochzuspringen, und einen Augenblick darauf war auch Bessie zur Stelle. Ich kniete mich hin, um beide Hunde an mich zu drücken, und während ich das tat, blickte ich durch den grauen Regendunst empor und sah Dan ein kurzes Stück weiter des Weges stehen, wie er mich stumm beobachtete.
Langsam erhob ich mich, und mein Blick verschmolz mit seinem.
Frankie schaute besorgt von mir zu ihm und rannte dann mit Bessie zurück. Dan bückte sich und nahm die Hunde an die Leine, dann richtete er sich wieder auf und schaute mich traurig an. Ich spürte, wie seine Augen sich in meine bohrten, als er begann, auf mich zuzulaufen.
Plötzlich blitzte es, dann krachte ein Donnerschlag, und mit einem Mal erleuchtete sich der ganze Hügel um mich herum. Es war, als hätte sich der Himmel geöffnet und glühende Splitter in meinen Körper geschickt. Es hörte auf zu regnen, und ich stand in einem
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