Mein Tag ist deine Nacht
seine Augen hatten eine trübe, fast leblose Tiefe angenommen. »Lauren, du weißt, dass ich dich liebe?« Seine Stimme war nur mehr ein mühsam ausgestoßener Hauch.
Ich beugte mich noch näher zu ihm und drückte Laurens Lippen sacht auf seine Stirn. »Das weiß ich.«
Grants Augen schlossen sich. Und nach einer Weile gab der Apparat neben ihm einen langen klagenden Ton von sich, und ich hielt mir die Hand vor den Mund, begriff, dass Laurens Ehemann und der Vater ihrer Kinder tot war.
Der Abend verging wie in einem Nebel. Karen hatte die Kinder ins Krankenhaus gebracht, und ich hatte Sophie zum Leichnam ihres Vaters mitgenommen, da ich fand, sie sei alt genug, um zu verstehen und sich von ihrem Vater zu verabschieden.
Nicole, Toby und Teddy begriffen noch nicht wirklich, welchen ungeheuerlichen Schicksalsschlag sie erlitten hatten.
Nachdem ich die jüngeren Kinder ins Bett gebracht hatte, weinte Sophie sich auf meinem Schoß in den Schlaf. Schließlich legten Karen und ich sie ins Bett. Dann setzten wir uns ins Wohnzimmer und saßen uns eine Zeitlang schweigend gegenüber, zu betroffen, um über die Ereignisse sprechen zu können.
Nach einer Weile goss Karen uns einen großen Brandy ein. Zögernd nippte ich daran, nicht an das brennende Gefühl gewöhnt, das der Alkohol hinterließ, als er meine Kehle hinunterrann.
»Glaubst du, Jason hat es absichtlich getan?«, fragte ich schließlich.
Karen nickte. »Sieht so aus. Der Polizei zufolge haben Zeugen berichtet, der Motorradfahrer habe an der Kreuzung direkt auf Grants Wagen zugehalten, der entsprechend nicht die geringste Chance hatte. Bei diesen Wetterverhältnissen hätte er den Zusammenstoß unmöglich verhindern können. Zum Glück wurde der Lastwagenfahrer nicht auch noch verletzt.«
»Jason hat doch bestimmt nicht gewollt, dass er dabei ebenfalls stirbt?«
»Mir kam er ziemlich verzweifelt vor. Das muss er wohl gemeint haben, als er sagte, wenn er dich nicht haben könne, dann solle auch Grant dich nicht bekommen. Er hat nicht dir gedroht, er hat geplant, Grant aus dem Weg zu schaffen, auch auf die Gefahr hin, dass er dabei selbst getötet wird.«
»Warum hast du der Polizei nichts davon gesagt?«
Karen zuckte mit den Schultern. »Wozu? Ich wollte dich nicht damit in Verbindung bringen. Es ist besser, die Polizei denkt, Jason sei ein Fremder gewesen. Die Kinder brauchen dich jetzt mehr denn je, und wir können nicht riskieren, dass irgendwer meint, du seist darin verwickelt.«
»Was, wenn das alles meine Schuld ist?« Ich trank einen großen Schluck Brandy und fing an zu husten. Ich wischte mir mit einer Hand über die Augen und sah Karen flehend an. »Ich weiß, ich habe mir das alles hier nicht ausgesucht, aber hätte ich nicht Laurens Stelle eingenommen, wäre sie vermutlich mit Jason durchgebrannt und Grant wäre noch am Leben.«
»Wir können nicht davon ausgehen, dass sie wirklich mit ihm fortgegangen wäre«, meinte Karen sanft.
»Die Pfarrerin hat jedenfalls geglaubt, Lauren würde ihre Familie verlassen«, erinnerte ich sie. »Deshalb hat sie ja täglich gebetet, dass die Familie zusammenbleiben möge.«
»Dann musst du davon ausgehen, dass ihre Gebete erhört worden sind«, strich Karen hervor. »Die da oben mögen gewusst haben, dass die Reise so endet, aber sie haben dich dennoch mit ins Spiel gebracht, oder etwa nicht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe noch immer das Gefühl, dass es sich anders entwickelt hat, als es sollte. Beide Eltern sind tot! Das kann doch nicht beabsichtigt gewesen sein.«
»Wir werden wohl nie wissen, was, wann, warum geschehen ist«, meinte Karen kopfschüttelnd. »Vielleicht hat es ja doch etwas damit zu tun, was du über die Relativität von Ort und Zeit nachgelesen hast, und dass der Blitzschlag das alles in Bewegung gesetzt hat. Aber egal, ob irgendetwas davon geplant war oder ob es sich um irgendein riesiges Versehen der Natur handelt, jedenfalls bist du noch immer hier. Die Kinder halten dich für ihre Mutter, und sie lieben dich.«
»Bis auf Teddy. Der weiß, dass ich’s nicht bin.«
»Man kann nicht alles haben. Und er liebt dich trotzdem. Du tust dein Bestes, Lauren. Die Kinder werden lernen, damit klarzukommen.«
»Hoffentlich hast du recht«, flüsterte ich und genehmigte mir einen weiteren Schluck. »Das hoffe ich wirklich sehr.«
Ich war mir sicher, dass ich in dieser Nacht nicht schlafen würde, aber sobald Laurens Kopf das Kissen berührte, erwachte ich, um zu entdecken,
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