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Meine Kinderjahre

Meine Kinderjahre

Titel: Meine Kinderjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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worden ist. »Hören Sie«, so hieß es dann wohl, »Sie sind ja soweit ganz gut, wenn Sie mal Ihren glücklichen Tag haben, aber gegen Ihren Vater können Sie nicht an.« Und das traf auch sicherlich zu. Seine von Bonhomie getragenen und zugleich von phantastischen Advokatenkunststücken unterstützten Plaudereien waren – auch wenn sie Geldsachen, wo doch sonst die Gemütlichkeit aufhört, betrafen – geradezu unwiderstehlich und dabei von so nachwirkender Kraft, daß keines von uns Kindern je das geringste bittere Gefühl über seine höchst merkwürdigen Finanzoperationen unterhalten hat. Nur meine Mutter war zu sehr anders geartet, um durch seine gesellschaftlichen Liebenswürdigkeiten umgestimmt oder erobert werden zu können; ihr war die Sache gerade dann am widerstrebendsten, wenn sie ins Leichte und Heitere gezogen werden sollte. »Was ernst ist, ist eben nicht heiter.« Übrigens bestritt sie ihm nicht, daß er als glücklicher Humorist es immer verstanden habe, die Leute auf seine Seite zu ziehen, setzte dann aber hinzu »leider«.
    Und nun zurück zu dem Sommerbesuch in unserm Hause. Das junge Weibervolk immer zu vergnügen, war mitunter etwas schwer, und es hätte sich vielleicht als unmöglich erwiesen, wenn nicht die Pferde gewesen wären. An fast jedem schönen Nachmittage fuhr der Wagen vor, und diese mit ihrem Besuch uns zeitweilig fast erdrückenden Badesaisontage mögen wohl die einzigen gewesen sein, wo sich meine Mutter, ohne übrigens ihre Grundanschauung deshalb aufzugeben, vorübergehend mit der Existenz von Pferd und Wagen aussöhnte. Wer Swinemünde kennt, und es kennen es viele, weiß, daß man, bei Nachmittagspartien, wegen hübscher Zielpunkte nicht in Verlegenheit kommt, und auch schon damals war es so wie heute. Da ging es, am Strand hin, bis Heringsdorf oder nach der andern Seite hin bis an die Molen, am beliebtesten aber, schon um Schutz gegen die Sonne zu haben, waren die Fahrten landeinwärts, entweder durch dichten Buchenwald auf Korswandt zu oder noch lieber nach dem in Nähe des Haffs und des »Golms« gelegenen Dorfe Kamminke. Da war eine vielbesuchte Kegelbahn, auf der dann auch die Damen mitspielten. Ich meinerseits aber stellte mich gern neben die splittrige Lattenrinne, drauf der Kugeljunge die Kugeln wieder zurücklaufen ließ, welchen Stand ich übrigens nur wählte, weil ich kurze Zeit vorher gehört hatte, daß ein Mitspielender auf ebendieser Kegelbahn beim Abfangen der heranrollenden Kugel sich einen langen Lattensplitter unter den Nagel des Zeigefingers eingestoßen habe. Das hatte solchen Eindruck auf mich gemacht, daß ich immer schaudernd auf eine Wiederholung wartete, die aber zum Glück ausblieb. War ich dann endlich müde vom Warten, so trat ich durch eine schiefhängende, immer knarrende Gittertür in ein Stück Gartenland ein, das dicht neben der Kegelbahn hinlief, und zwar parallel mit ihr. Es war ein richtiger Bauerngarten, Balsaminen und Reseda blühten drin, und an einer Stelle standen die Malven so hoch, daß sie eine Gasse bildeten. Sank dann die Sonne drüben am Walde, so schwamm der nach Westen liegende Golm in einem roten Licht, und die metallne Kugel auf seiner hohen Säule sah, als wäre sie golden, auf das Dorf und den Kegelgarten hernieder. Myriaden von Mücken standen in der Luft, und die Hummeln flogen zwischen den Buchsbaumbeeten hin und her.
    Mit Beginn des August verließ uns gewöhnlich unser Besuch wieder, und kam dann der September heran, so schieden auch aus der Stadt selbst die letzten Badegäste. Wollte wer länger bleiben, so war das unbequem für die Wirte, wobei folgende Szene vorkam. Einer (natürlich ein Berliner), als er sich eben wieder von der Abfahrtsstelle des Dampfschiffs, wohin er ein paar abziehende Freunde begleitet, in seine Mietswohnung zurückbegeben hatte, setzte sich die Hände reibend behaglich zu seinen Wirtsleuten und sagte: »Na, Hoppensack, nu sind ja die Berliner alle weg oder doch beinahe alle; nu solls losgehen, nu wirds gemütlich.« Er erwartete natürlich vollste Zustimmung. Statt dessen aber sah er nur lange Gesichter. Endlich nahm er sich ein Herz und fragte, warum sie so flau seien? »Gott, Herr Schünemann«, sagte Hoppensack, »ein Registrater und seine Frau kamen ja schon Ende Mai, und nu is es beinah Mitte September. Man will doch auch mal wieder alleine sein.« Die Frau nickte zustimmend. Da hatte denn Schünemann keine Wahl mehr und mußte den andern Tag auch aufbrechen.
    Waren dann die letzten

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