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Meine kurze Geschichte (German Edition)

Meine kurze Geschichte (German Edition)

Titel: Meine kurze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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darauf, ich versuche nur zu beschreiben, wie ich die Sache damals sah, eine Einstellung, die ich mit den meisten Studenten teilte. Wir pflegten die Attitüde, zu Tode gelangweilt zu sein und dass nichts einer Anstrengung wert sei. Eine Folge meiner Krankheit war, dass sich all das dann änderte: Wem ein früher Tod droht, der begreift, welchen Wert das Leben hat und dass es noch viele Dinge gibt, die man tun möchte.
    Da ich nicht sehr fleißig gewesen war, wollte ich mich im Abschlussexamen an die Aufgaben in theoretischer Physik halten und alle Fragen vermeiden, die Faktenwissen voraussetzten. In der Nacht vor dem Examen fand ich wegen der Anspannung keinen Schlaf, daher schnitt ich nicht sehr gut ab. Ich lag zwischen Eins und Zwei; in einer mündlichen Prüfung sollte über die endgültige Note entschieden werden. In dem Gespräch fragten mich die Prüfer nach meinen Zukunftsplänen. Ich antwortete, ich wolle in die Forschung. Wenn sie mir eine Eins gäben, würde ich nach Cambridge gehen, wenn ich eine Zwei bekäme, würde ich in Oxford bleiben. Sie gaben mir eine Eins.
    Für den Fall, dass ich nicht in die Forschung gehen könnte, hatte ich einen Plan B: den Staatsdienst; ich hatte auch schon eine Bewerbung eingereicht. Wegen meiner Einstellung zu Kernwaffen wollte ich allerdings nichts mit dem Verteidigungsministerium zu tun haben. Daher nannte ich als bevorzugten Wunsch eine Stellung im Ministry of Works (das damals für die öffentlichen Bauten zuständig war) oder als Beamter für das House of Commons. In den Bewerbungsgesprächen zeigte sich rasch, dass ich eigentlich keine Vorstellung hatte, was ein Beamter im House of Commons zu tun hätte. Trotzdem wurde ich akzeptiert und musste nur noch eine schriftliche Prüfung bestehen. Leider vergaß ich sie vollkommen und erschien deshalb nicht. Die Behörde, die für die Einstellung von Beamten zuständig war, schrieb mir einen freundlichen Brief, in dem es hieß, ich könne es im folgenden Jahr noch einmal versuchen, man würde mir nichts nachtragen. Es ist ein Glück, dass ich kein Beamter geworden bin. Mit meiner Behinderung hätte ich das nicht geschafft.

    Graduierung in Oxford

    Graduierung in Oxford

    FÜR die langen Ferien nach dem Abschlussexamen bot das College eine Reihe kleiner Reisestipendien an. Ich war der Meinung, meine Chancen würden umso größer sein, je weiter die beantragte Reise war. Deshalb gab ich Iran als Ziel an. Ich brach mit meinem Kommilitonen John Elder auf, der schon einmal dort gewesen war und die Landessprache Farsi beherrschte. Wir reisten nach Istanbul und von dort nach Erzurum in der Osttürkei, unweit des Bergs Ararat. Da die Eisenbahn kurz darauf die sowjetische Grenze überquerte, mussten wir unsere Fahrt nach Täbris und Teheran mit einem arabischen Bus fortsetzen, zu dessen Passagieren auch Hühner und Schafe gehörten.
    John und ich trennten uns in Teheran. Mit einem anderen Studenten fuhr ich weiter nach Isfahan, Schiras und Persepolis, der Residenz der antiken persischen Könige, die von Alexander dem Großen geplündert wurde. Von dort durchquerten wir die zentral gelegene Wüste nach Maschhad.
    Auf der Rückreise geriet ich in Buin Zahra zusammen mit meinem Reisegefährten Richard Chiin in ein Erdbeben der Stärke 7,1, bei dem mehr als zwölftausend Menschen ums Leben kamen. Offenbar befand ich mich nahe dem Epizentrum, war mir dessen aber nicht bewusst, weil ich krank in einem Bus saß, der über die iranischen Straßen holperte. Da wir die Sprache nicht beherrschten, erfuhren wir von dem Unglück erst nach mehreren Tagen, die wir in Täbris verbracht hatten. Ich erholte mich dort von einer schweren Ruhr und einer gebrochenen Rippe, die ich mir zugezogen hatte, als ich gegen den Vordersitz des Busses geschleudert worden war. Erst in Istanbul hörten wir von der Katastrophe.
    Meinen Eltern, die seit zehn Tagen ängstlich auf Nachricht warteten, schickte ich eine Postkarte. Als Letztes hatten sie von mir gehört, dass ich am Tag des Erdbebens aus Teheran in Richtung Katastrophengebiet aufgebrochen war.

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    CAMBRIDGE
    IM OKTOBER 1962 kam ich als Doktorand nach Cambridge. Ich hatte mich bei Fred Hoyle beworben, dem bekanntesten britischen Astronomen der Zeit und dem prominentesten Fürsprecher der Steady-State-Theorie. Astronom sage ich, weil Kosmologie damals kaum als legitimes Forschungsfeld anerkannt wurde. Auf diesem Gebiet aber sollte meine Promotionsforschung stattfinden, angeregt von

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